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Der Fall Charles Dexter Ward

Titel: Der Fall Charles Dexter Ward Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Mitteilungen ihres Sohnes entnehmen würde. Mr. Ward entschloß sich nun, selbst seinen Sohn zu besuchen, und zwar ohne jede Ankündigung. Dr. Willett fuhr ihn eines Abends in seinem Wagen hinaus, begleitete ihn bis in Sichtweite des Bungalows und wartete geduldig auf seine Rückkehr. Die Unterredung dauerte lange, und der Vater war sehr besorgt und verwirrt, als er schließlich zurückkam. Sein Empfang hatte sich ganz ähnlich abgespielt wie der Willetts, außer daß es sehr lange gedauert hatte, bis Charles sich zeigte, nachdem der Besucher sich den Eintritt in den Vorraum erzwungen und den Portugiesen in gebieterischem Ton fortgeschickt hatte, und im Verhalten seines veränderten Sohnes hatte er keine Spur familiärer Zuneigung entdeckt. Das Licht war schwach gewesen, aber der junge Mann hatte trotzdem behauptet, es blende ihn fürchterlich. Er hatte überhaupt nicht laut gesprochen, angeblich weil es ihm sehr schlecht ging; aber sein heiseres Geflüster war auf so vage Art beunruhigend gewesen, daß Mr. Ward ständig daran denken mußte.
    Nunmehr endgültig entschlossen, gemeinsam alles für die Rettung von Charles' geistiger Gesundheit zu tun, machten sich Mr. Ward und Dr. Willett daran, alle Auskünfte über den Fall einzuholen, deren sie irgend habhaft werden konnten. Die in Pawtuxet umlaufenden Gerüchte waren das erste, was sie unter die Lupe nahmen, und dabei stießen sie kaum auf Schwierigkeiten, weil sie beide Freunde in dieser Gegend hatten. Dr. Willett brachte am meisten in Erfahrung, weil die Leute mit ihm offener sprachen als mit dem Vater der zentralen Figur, und allem, was er hörte, konnte er entnehmen, daß das Leben des jungen Ward tatsächlich sehr merkwürdig geworden war. Die Leute ließen sich nicht davon abbringen, daß ein Zusammenhang zwischen seinem Haushalt und dem Vampirismus im vergangenen Sommer bestünde, und die in tiefer Nacht ankommenden und abfahrenden Lastwagen trugen das Ihre zum Entstehen finsterer Spekulationen bei. Die Kaufleute des Ortes sprachen von den sonderbaren Bestellungen, die ihnen der verschlagene Mulatte brachte, und besonders von den außergewöhnlichen Mengen von Fleisch und frischem Blut, die Ward in den beiden Fleischereien in seiner unmittelbaren Nachbarschaft holen ließ. Für einen Haushalt von drei Leuten waren diese Mengen völlig absurd.
    Dann war da die Geschichte mit den Geräuschen unter der Erde. Klare Aussagen über diese Dinge zu bekommen war nicht ganz einfach, aber alle vagen Andeutungen stimmten in einigen grundlegenden Punkten überein. Geräusche ritueller Art traten mit Sicherheit auf, manchmal auch dann, wenn im Bungalow kein Licht brannte. Sie hätten natürlich aus dem Keller kommen können, von dessen Existenz man wußte; doch es hielt sich hartnäckig das Gerücht, es gebe noch tiefere und ausgedehntere Krypten. Da sie sich an die alten Geschichten von Joseph Curwens Katakomben erinnerten und von der Annahme ausgingen, daß Charles gerade diesen Bungalow gewählt habe, weil er, wie er aus einem der hinter dem Bild entdeckten Dokumente wissen mochte, auf dem ehemaligen Grund Joseph Curwens lag, schenkten Willett und Mr. Ward diesen Gerüchten große Aufmerksamkeit; und sie suchten oft vergeblich nach der Tür in der Uferböschung, die in den alten Manuskripten erwähnt war. Bezüglich der öffentlichen Meinung über die Bewohner des Bungalows stellte sich bald heraus, daß Gomes, der Portugiese, verabscheut, der bärtige Brillenträger gefürchtet und der bleiche junge Gelehrte mit tiefem Mißtrauen betrachtet wurde. Während der letzten ein oder zwei Wochen hatte Ward sich offenbar sehr verändert, alle Versuche, umgänglich zu erscheinen, aufgegeben und bei den wenigen Gelegenheiten, da er sich außer Haus gewagt hatte, nur in heiseren, aber seltsam abstoßenden Flüstertönen gesprochen.
    Das waren die bruchstückhaften Hinweise, die Mr. Ward und Dr. Willett hier und dort bekamen, und sie diskutierten viel und ernsthaft darüber. Sie bemühten sich, Deduktion, Induktion und schöpferische Phantasie bis an die Grenzen des Möglichen einzusetzen und Beziehungen zwischen allen bekannten Tatsachen aus Charles' letzten Lebensjahren, einschließlich des verzweifelten Briefes, den der Doktor inzwischen dem Vater gezeigt hatte, und den spärlichen Unterlagen über den alten Joseph Curwen, herzustellen. Sie hätten viel darum gegeben, einen Blick in die Schriftstücke werfen zu können, die Charles gefunden hatte, denn der Schlüssel zum

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