Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus
lassen und warten, bis ich mich melde. Er meinte,
wenn irgendwas ist, soll und kann ich ihn jederzeit anrufen. Er wäre ja
schließlich nicht aus der Welt und zur Stelle, wenn ich ihn brauche. Ich schwöre
dir, wenn irgendwas ist, wird er im Moment der LETZTE sein, den
ich anrufe. Ich melde mich bei ihm, wenn es nicht mehr weh tut. Ganz
bestimmt. Weil ich mir vorstellen kann, in ihm einen sehr guten Freund zu haben.
Trotzdem, was er mir mit der Vorspielerei angetan hat, ich mag ihn.
Maik
ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie sehr er sein Angebot bereuen wird. Und
das schon sehr bald. Allerdings bittet sie mich in der gleichen E-Mail, ihm
doch ein Lied zu schicken. Daniela ist sehr musikalisch und hat nicht nur eine
schöne Stimme, sie kann auch wunderbar Gitarre spielen. Während der Tage, in
denen sie auf Maiks Reaktion noch wartete, hat sie auf der Gitarre meines
Sohnes ein in Schottland gehörtes Lied aus dem Gedächtnis nachgespielt und
gesungen und wir haben es mit einfachen Mitteln aufgenommen. Ich tat ihr diese
Gefallen, immer noch nicht ahnend, in welche Extreme die Sache schlittern wird.
Daniela
Es
war im Sommer des ersten Schuljahres auf der Grundschule im Jahr 1973. Ich war
damals 6 Jahre alt. Ich kann mich gut erinnern, dass ich stets von Ängsten
geplagt war. Die Angst vor der Klassenlehrerin (einmal hatte ich sogar Angst zu
fragen, ob ich auf die Toilette gehen darf, und habe auf den Stuhl gepinkelt,
weil ich es nicht mehr halten konnte), die Angst vor Mitschülern. Die Angst,
nicht gut genug zu sein. Sie war tief in mir verwurzelt, aber ich lernte schon
damals, sie geschickt zu überspielen. Ich suchte mir Schulfreunde, die genauso
wie ich eher am Rande der Klassengesellschaft standen. Zigeuner, Ausländer und
Kinder aus sozial schwachen Schichten. Eben Kinder, die auch anders waren als
die meisten. So wie ich.
Ich
hatte schon damals eine unglaublich große Panik vor dem Ersticken. Mein Bruder
hatte mich einmal aus Spaß mit der Bettdecke komplett zugedeckt und ich
erinnere mich genau, dass ich Todesangst hatte. Im Schwimmbad bin ich zum Spaß
von einem Mädchen unter Wasser getaucht worden. Ich hatte Todesangst und war
sicher, ich müsste jetzt sterben. Ich hatte bis dahin nie Angst vorm Tauchen
und Schwimmen.
Es
gibt z Schultage, an die ich mich so genau erinnern kann, als wäre es gestern
gewesen. Ich saß im Unterricht in der Klasse. Meine Tischnachbarin und ich
hatten uns in der Pause einen Kaugummi geteilt und wir überlegten nun, wie wir
ihn wieder loswurden, bevor unsere Lehrerin es merken würde. Schließlich
beschloss sie, ihren Kaugummi einfach runterzuschlucken und sagte, dann ich
soll das auch tun. Ich hatte Angst. Ich hatte Angst aufzustehen, um zum Mülleimer
zu gehen, und ich hatte Angst, dieses Teil zu schlucken. Und ich hatte noch
mehr Angst, erwischt zu werden und deshalb nahm ich allen Mut zusammen und
schluckte. Danach erlebte ich einen Albtraum. Ich bildete mir ein, der Kaugummi
wäre in meinem Hals hängen geblieben und ich bekam regelrechte Panikattacken.
Mein Herz raste und ich zitterte am ganzen Körper. Mir brach der kalte Schweiß
aus. Es dauerte nicht lange, bis der Lehrerin auffiel, dass mit mir etwas nicht
stimmte. Ich steigerte mich so in meine Angst hinein, dass meine Mutter
angerufen wurde und mich abholen musste.
Es
war Biologieunterricht. Wir bekamen zwei Themen zur Auswahl, von denen wir uns
eins aussuchen konnten, um darüber zu reden. Das erste Thema hieß Tollwut. An
das andere kann ich mich nicht mehr erinnern. Tollwut! Die Krankheit, vor der
ich die größte Angst überhaupt hatte. Ich wollte nicht darüber reden, ich
wollte nichts hören, mir stiegen allein vor Angst, das Thema könnte gewählt
werden, die Tränen in die Augen und mein Herz klopfte wie wild. Und es kam, wie
es kommen musste. Genau dieses Thema wurde von der Mehrheit der Klasse gewählt.
Ich hatte fürchterliche Angst, ich wollte rausrennen aber ich habe mich nicht
getraut! Ich bekam Panik und mit jedem Detail, das ich noch zusätzlich über
diesen Virus erfuhr, wuchs meine Angst und steigerte sich bis zur Panikattacke.
Ich vergesse nie, wie hilflos ich in der Pause herumgelaufen bin und mir
einbildete, ich hätte Schaum vor dem Mund. In meiner Angst fragte ich ein mir
völlig unbekanntes Kind, ob ich Schaum vor dem Mund hätte. Die Angst vor der
Tollwut habe ich über viele Jahre tief in mir getragen, sie war ein treuer
Begleiter.
Ich würde alles darum
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