Der Fall der Bücher (Kindle Single) (German Edition)
Mannes finanzierte.
Mit Tatmotiven ist es so eine Sache. Man kann sich nicht einfach ein Motiv ausdenken und dann versuchen, es auf das Verbrechen zu pressen. Will sagen, selbst wenn Otis Parker tot mehr wert war als lebendig, dann bedeutete das nicht zwangsläufig, dass seine junge Frau ihn auch lieber tot als lebendig hätte. Auch wenn dieses Gebäude, oder zumindest das Grundstück, mehrere Tausend Dollar wert war, selbst in diesem Viertel, das, nebenbei gesagt, heutzutage zu den teuersten Gegenden in ganz New York zählt. Vielleicht wollte sie nur, dass er das Gebäude verkaufte und damit aufhörte, Zeit und Geld in dieses schwarze Loch, die Dead-End-Buchhandlung, zu versenken und sich endlich einen richtigen Job suchte. Oder wenigstens eine Bar aus dem Laden machte.
Aber vielleicht vergaloppierte ich mich da ein bisschen.
Nach allem, was ich wusste, waren die Parkers sehr verliebt, und wegen seines plötzlichen Todes, den ihr Bücherregal verursacht hatte, würde die untröstliche Witwe ins Kloster gehen. Ich würde natürlich trotzdem überprüfen, ob das Haus mit einer Hypothek belastet war, wie es mit Mr Parkers Lebensversicherung aussah und ob es einen Ehevertrag gab. Geld ist ein Motiv. Statistisch ist es sogar das Hauptmotiv für die meisten Verbrechen.
Ich lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf das eigentliche Thema und setzte das Verhör fort.
»Also, nachdem Sie die Notrettung gerufen hatten, riefen Sie Mrs Parker an.«
Er nickte.
»Von oben oder von unten?«
»Von unten. Ich rannte nach unten, um die Tür aufzuschließen.«
»Und Sie benutzten Ihr Handy.«
»Ja.«
»Sie haben Mrs Parkers Festnetznummer in Ihrem Telefon gespeichert?«
»Ja … Ich habe die Nummer für den Fall, dass es im Laden ein Problem gibt.«
»Verstehe. Und für genau welche Fälle haben Sie ihre Handeynummer gespeichert?«
»Für den Fall, dass ich Mr Parker auf seinem Telefon nicht erreiche.«
»Verstehe.« Ich war mir sicher, dass die Anruflisten all dieser Telefone ein paar interessante getätigte und empfangene Gespräche verzeichneten.
Die Sache verhält sich folgendermaßen: Wenn ein Mord tatsächlich wie ein Unfall aussieht, dann wird nach nichts anderem geforscht als nach Todesursache und Todesart. Aber wenn ein Bulle vermutet, dass an dem Ganzen etwas faul ist, dann wird tiefer gegraben, und manchmal wird etwas ans Licht geholt, das nicht so richtig zu den Aussagen der Zeugen passen will.
Ich hatte keine fünfzehn Minuten gebraucht, um festzustellen, dass ich hier sehr wahrscheinlich in einem Mordfall ermittelte, weswegen ich mich schon in der Phase des Tiefergrabens befand, während alle anderen, wohl mit Ausnahme von Officer Rourke, immer noch davon ausgingen, dass wir hier über einen skurrilen und tragischen Unfall sprachen.
Trotz seines vernebelten Hirns schien Scott zu spüren, worauf einige meiner Fragen abzielten. Er sah sogar wieder etwas nervös aus. Also fragte ich ihn unverblümt: »Was meinen Sie, war das hier etwas anderes als nur ein Unfall?«
Er antwortete schnell und entschieden: »Nein. Aber der andere Polizist glaubte das.«
»Er liest wohl zu viele Krimis«, warf ich ein. »Lesen Sie viele Krimis?«
»Nein. Dieses Zeug lese ich nicht.«
Er schien über Krimis keine gute Meinung zu haben, und das ärgerte mich. Aus gegebenem Anlass fragte ich ihn: »Wird Jay Lawrence heute erwartet?«
Er nickte.
»Ja. Er kommt, um sein neues Buch zu signieren. Er tourt gerade durchs Land. Er sollte gegen zehn hier sein.«
Ich schaute auf meine Armbanduhr.
»Er ist spät dran.«
»Ja. Schriftsteller kommen oft zu spät.«
»Wo in New York ist er untergebracht?«
»Keine Ahnung.«
»Haben Sie seine Handynummer?«
»Ja … Irgendwo.«
»Haben Sie ihn schon einmal getroffen?«
»Ja, für ein paar Minuten.«
»Wie gut kennt – oder kannte – er Mr Parker?«
»Ich glaube, die beiden kannten sich recht gut. Sie sahen sich regelmäßig auf Buchmessen.«
»Und Mrs Parker?«
»Ja, ich glaube, er kannte sie auch.«
»Aus Los Angeles?«
»Ja, möglich.«
Aus Neugier, oder vielleicht ja auch aus einem anderen Grund, fragte ich Scott: »Ist Jay Lawrence ein richtig erfolgreicher Bestsellerautor?«
Scott gab sich professionell autoritär. »War er mal. Nicht mehr. Wir werden seine Bücher kaum los, wenn wir sie verschenken.«
»Ist das so? Aber hier warten fünf Kisten Bücher, die alle signiert werden wollen.«
Scott ließ so etwas wie ein leichtes Schnauben hören. »Das war nur
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