Der Fall der Bücher (Kindle Single) (German Edition)
Höflichkeit. Ein Gefallen. Weil sie sich kannten und er die Buchhandlung besuchen würde.«
»Verstehe.« Es hätte tatsächlich unangenehm werden können, hätte Jay Lawrence gerade einmal zwei Bücher zum Signieren vorgelegt bekommen.
Nun, in meinem Beruf lernt man jeden Tag etwas Neues. Ich hatte angenommen, Jay Lawrence sei ein Bestsellerautor. War er aber nicht. So kann man sich irren. Vielleicht mache ich doch mehr Geld mit der Ausübung meines Jobs als er mit seiner Schreiberei über meinen Job.
Ich hatte noch mehr Fragen für Scott auf Lager, aber ein Klopfen an der Tür unterbrach unser Verhör. Officer Simmons betrat den Raum.
»Da ist jemand, ein Autor namens Jay Lawrence. Er will den Verstorbenen besuchen.«
Er merkte wohl, dass das etwas merkwürdig klang, und fügte hinzu: »Rourke hat ihn unterrichtet, dass es einen Unfall in der Buchhandlung gab, hat ihm aber nicht gesagt, dass der Unfall tödlich war.«
Ich schaute auf meine Armbanduhr. Fürs Protokoll: Sie zeigte 10.26 Uhr.
»Leisten Sie Scott etwas Gesellschaft«, sagte ich zu Simmons, bevor ich mich fürs Erste von Scott verabschiedete: »Bleiben Sie an der Schreiberei dran. Sie könnten hier den Anfang für einen Bestseller haben.«
Der ehemalige Bestsellerautor Jay K. Lawrence saß in einem der alten Ohrensessel, die im Laden standen. Er trug einen schwarzen Überziehmantel aus Kaschmir, hatte die Beine übereinandergeschlagen und sah ungeduldig aus. Eigentlich hätte er besorgt aussehen sollen, oder etwa nicht? Ich meine, Polizeiaufgebot, Unfall und so weiter. Vielleicht war er es auch, aber wenn er es war, dann verbarg er seine Besorgnis perfekt hinter zur Schau gestellter Ungeduld.
Andererseits dreht sich bei Schriftstellern alles immer nur ums eigene Ego, und wenn sie, sagen wir, von einem Erdbeben oder einem Terroranschlag aufgehalten oder belästigt werden, dann nehmen sie das gleich persönlich und bekommen schlechte Laune. Ich wies mich Mr Lawrence gegenüber aus und zeigte wieder auf meine Marke. Ich muss endlich diesen bescheuerten Film aus dem Kopf kriegen, sonst denken die Leute noch, ich sei ein Vollidiot. Genau genommen ist es aber gar nicht so schlecht, wenn ein Verdächtiger das denkt. Nicht, dass es sich bei Jay Lawrence um einen Verdächtigen handelte. Aber er hatte durchaus das Potenzial, einer zu werden.
Bevor er aufstehen konnte, sofern er das überhaupt vorgehabt hatte, saß ich schon in dem Sessel neben ihm. Er sah genauso aus wie auf dem Foto – schick geföhnt und sacht retuschiert –, und ich konnte erkennen, dass er unter seinem offenen Kaschmirmantel ein grünes Sakko aus Samt, ein gelbes Seidenhemd sowie eine goldfarbene Krawatte trug. Seine hellbraune Hose kam frisch aus der Reinigung, Bügelfalten inklusive, und an seinen braunen Slippern baumelten Quasten. Ich kann Quasten überhaupt nicht ausstehen. Wie dem auch sei, ich ging gleich zum Wesentlichen über.
»Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber Otis Parker ist tot.«
Er wirkte etwas zu schockiert, so, als habe das Polizeiaufgebot im Laden ihn nicht ahnen lassen, dass etwas sehr Ungutes passiert sein musste.
Er sammelte sich und fragte: »Wie ist es passiert?«
»Wie ist was passiert?«
»Wie ist er gestorben?«
»Ein Unfall. Ein Bücherregal ist auf ihn gestürzt.«
Mr Lawrence warf einen Blick nach oben auf die Bürogalerie. Dann sagte er mit sanfter Stimme: »Ach du meine Güte.«
»Ganz genau. Das Bücherregal in seinem Büro. Nicht das im Lager.«
Mr Lawrence erwiderte nichts, also redete ich weiter. »Scott hat den Toten gefunden.«
Er nickte. »Wer ist Scott?«, fragte er dann.
»Scott ist sein Sekretär. Wir haben eine Nachricht auf Mrs Parkers Handy und ihrem Anrufbeantworter zu Hause hinterlassen, aber bislang hat sie sich nicht gemeldet. Haben Sie vielleicht eine Ahnung, wo sie stecken könnte?«, fragte ich ihn.
»Nein … habe ich nicht.«
»Waren Sie mit den Parkers befreundet?«
»Ja …«
»Dann wäre es vielleicht gut, wenn Sie hierblieben, bis sie kommt.«
»Oh … Ja. Das ist sicher eine gute Idee. Ich kann nicht fassen, dass …«
Ich durfte nicht außer Acht lassen, dass dieser Typ Bücher über meinen Job schrieb. Ich musste auf der Hut sein, wenn ich ihn befragte. Will sagen, ich musste vermeiden, dass er merkte, dass ich Foulspiel vermutete. Deshalb hatte ich veranlasst, draußen nicht abzusperren, und die Spurensicherung war auch nicht vor Ort. Also hatte er keinen Grund zur Annahme, dass er in
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