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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Zucken der Schatten die Annäherung des Kyprophraigen. Instinktiv griff seine Hand nach dem Valkaersring, ertastete ihn an seiner gespannten Kette. In dem Moment, wo er ihn berührte, wurde die Kette schlaff und der Ring ließ sich – seltsam – von Auric unter den Kragen zurück an den vertrauten Platz über der Brust legen. Er hörte Geschrei den Gang herauf hallen, weg von ihm, er hörte ein Knistern in der Luft, ein Fauchen, dann den berstenden Peitschenknall einer Blitzentladung. Blendendes Licht sprang zwischen den Pfeilern hindurch. Ganz nah, das war ganz nah! Ein roter Funke blähte sich in ihm, drängte wie die Korona eines Herzschlags gegen die Grenzen seines Körpers. Schnauben und Rasseln hinter den Pfeilern der Kolonnade, Knistern. Wieder tierhaftes Fauchen. Das wahnsinnig gewordene Biest war hinter den Pfeilern, nur ein paar Meter von ihm entfernt. Es würde vorbeigehen, wenn er …
    Auric schob seinen Kopf um die Kante, sah zunächst gar nichts, nur den freien Raum zwischen den Pfeilern und Rauch, der dünn und bleich vorbei trieb. Dann etwas an der Kante des Pfeilers.
    Der Kyprophraig trat in seine Sicht.
    Seine Beine trugen ihn langsam, gemessen vorwärts. Doch sein Kopf, seine anderen Gliedmaßen zuckten unentwegt, die kurzen Arme, in ihren Formen wie die von Schalentieren, griffen ziellos und asynchron aus, die langen Armglieder fegten wirr durch die Luft, als wollten sie ein stumm geführtes, abschweifendes und verdrehtes Selbstgespräch gestikulierend unterstreichen. Der Kopf wand sich in seinem Sockel aus zitternden Mandibeln ruckhaft hin und her. Nur die kurzen Pfeile, die sich in Körper und Kopfstummel gebohrt hatten wirkten dabei wie ein starrer, unveränderlicher Kontrapunkt.
    Die Pfeile hatten ihm nicht merklich schaden können. Wo war das Hirn dieser Kreatur? Vielleicht nicht dort, wo man es eigentlich vom Menschen her vermutete.
    Sie würde vorbeigehen, wenn er nur …
    Etwas drängte wie die Korona eines Herzschlags gegen die Grenzen seines Körpers. Da ist ein Tasten, eine Frage, doch er versteht sie nicht.
    Ein wahnsinnig gewordener Kyprophraig? Der sollte an ihrem Ende stehen? Von der Sechzehnten sollte am Ende nichts übrig bleiben als ein paar in Panik Flüchtende, die durch dunkle Gänge irrten und nacheinander niedergemacht wurden? Ihr General („Schwarzer, Schwarzer!“, hatten sie gerufen) sollte sich am Ende zitternd in den Schatten verstecken und hoffen, dass das schlimme Monster an ihm vorüberging? Wozu? Um dann doch noch irgendwo im Dunkel dieser Spitzohrenfeste zu verrecken? Zu verhungern, wenn er sich zu gut versteckte und nicht mehr herausfand? Niedergemacht zu werden wie ein verendendes Vieh, wenn sie ihn entkräftet fanden? Am Ende im Kampf zerhackt durch ein paar miese Spitzohren?
    Sie hatten verdammt noch mal einen Kyprophraigen getötet. Damals. Als alle Fäden begannen, zu einem Gewebe zu werden. Er, Jag, Umanákhu, Crussav. Und Kudai. Als sie jung und dumm gewesen waren. Eine Ewigkeit war das her. Eine andere Welt war das gewesen. Damals waren sie alle noch dabei gewesen. Jetzt war nur noch er allein übrig.
    Orik Wahnhammer. Auric Torarea Morante. Auric der Schwarze, General der Sechzehnten, der im Dunkel verreckt.
    Auric der Kyprophraigentöter.
    Etwas drängte wie die Korona eines Herzschlags gegen die Grenzen seines Körpers.
    Er hatte das Kinphaurenschwert und die beiden Messer Nanrids, die hinten in seinem Gürtel steckten. Ich werde ihm seine Eingeweide aus dem Körper reißen. Ich werde mit seinem Herzen mein Haupt schmücken. Eine betäubende Leichtigkeit stieg in ihm auf.
    Ich bring das Biest um, ich bring es um, ich bring es um.
    Auric der Kyprophraigentöter.
    Er schaute um die Pfeilerkante. Das Monster war noch immer vor ihm im freien Raum des Ganges, gerade dabei hinter einem weiteren Pfeiler aus seinem Gesichtsfeld zu verschwinden. Mit seinem ruckenden Kopf, seinen irrend zappelnden Armen, dem Knistern einer anderen Welt zwischen seinen Spinnenfingern. Drecksvieh.
    Er spuckte aus, wischte mit den Handrücken über sein Gesicht, sah seine Hand zurückkommen beschmiert mit Blut, Ruß und Dreck. Er musste furchtbar aussehen mit seiner zerrissenen, halb verbrannten Uniform, dem eigenen Blut und dem seiner Feinde überall an ihm. Er hatte am ganzen Körper Wunden, Prellungen, Quetschungen. Er spürte sie wie ein einziges Hintergrundrauschen des Schmerzes, eine schwere, träge, peinvolle Masse, die sein Körper war. Nicht gerade das Gefäß eines

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