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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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durfte. Es war verwunderlich, dass der Vorschlag, wie sie Kudais Begräbnis vornehmen und er daran teilnehmen sollte, von Bogenfall des Lichts gekommen war. Es war ungewöhnlich, würde wahrscheinlich auch von den anderen Silaé und den meisten Ninraé als ungebührlich angesehen werden, so sagte ihm Darachel, einen der Neuen Menschen das Geisterland sehen zu lassen. Doch die anderen Silaé waren dieser Tage in anderen Aufgaben unterwegs, in weit entfernten Bereichen des Geisterlandes. An den Grenzen des Domänenwalles, so hatte Darachel ihm gesagt, und Auric hatte es so verstanden, als ob diese Bezeichnung die Enden ihrer Welt meinte.
    Bogenfall des Lichts hatte für sie eine Konklavsphäre geschaffen, so dass Auric in seinem Erleben dabei sein durfte, wenn sie Kudai bestatteten. Das beirrende Gefühl der Ortslosigkeit kam daher, dass er mit dem Geist all seiner Begleiter verbunden war und sein Erleben frei zwischen ihnen umhertrieb, so dass, weil er noch nicht gelernt hatte, seine Wahrnehmung in einer solchen Situation zu meistern, seine Perspektive in ständigem Fluss war oder vielmehr aus verschiedenen sich zu einer einzigen Wahrnehmungswolke überlagernden Perspektiven bestand.
    Die riesige Lichtgestalt von Bogenfall des Lichts stieg vor ihnen auf, als sie die Wolkendecke durchbrachen. Er schwebte ihnen voran, immer schneller. Am Rande seines Blickfelds sah er Wesen mit segelartigen, durchscheinenden Körpern auf den Winden dieses fremdartigen Ortes treiben.
    Durch den Himmel sah er einen gewaltigen Tunnel getrieben. Er musste zunächst eine Weile hinschauen, bis er begriff, was er sah; die Dimensionen, die Ungeheuerlichkeit des Gesehenen verzerrten seine Wahrnehmung. Am Eingang dieser gewaltigen Tunnelröhre sah er Kristallgitter von Lichtern, die bebten wie lebendige Wesen. Sie schwebten an einer Wandung vorbei, die Auric für die Wand eines der schwebenden Berge hielt, doch der Flug folgte dem Verlauf weiter und weiter, vorbei an Fortsätzen, vorbei an Membrangliedern, bis er schließlich begriff, dass es sich hierbei um ein riesiges Wesen handelte.
    Die höheren Himmel waren von Ninraé entvölkert.
    Außer ihnen sahen sie nach dem Durchqueren der Wolkendecke keine mehr. Er fragte Darachel danach und der erwiderte, dass die unteren Schichten den Ninraé mithilfe anderer Patenwesen zugänglich seien, doch die höheren Schichten seien für sie nur mit Hilfe der Silaé oder höher-hierarchischer Wesen zu erreichen. Er sprach mit Darachel, wie Bogenfall des Lichts es ihn geheißen hatte, indem er diese Gedanken, wie Worte, die für jemanden bestimmt sind, in den Raum der Konklavsphäre hinein richtet. Er hatte das zunächst schwer zu verstehen gefunden, doch nachdem er es einmal versucht hatte und es ihm gelang, wusste er, was der Silaé mit seiner Erklärung gemeint hatte. Wie bei vielen ähnlichen Dingen, war dies leichter zu erleben als zu erklären.
    Auric sah nun, dass sie geradewegs auf einen der Tunnel, die über ihnen die Himmel durchbohrten zuhielten. Sie näherten sich rasch dem Kristallgitter, das den Tunneleingang umgab. Auric sah es an ihrem Gestaltenschwarm vorbeirauschen, sah Energiegewitter um die Gitterpunkte zucken, sah ein feines Netz von Blitzen, das sich auch in das Innere der gewaltigen Röhre hineinzog.
    Sie rasten geradezu durch eine von fernen Blitzen umstrickte Tunnelwelt. Über ihnen schwelten geheimnisvolle Ladungen. Auric hatte Mühe nicht in diesem Sinnentaumel unterzugehen. Ein Gefühl wie Schwindel überfiel ihn, seltsam, überwältigend, immateriell. Dann waren sie aus dem Tunnel heraus und eine neue wolkenglühende Himmelshöhle öffnete sich vor ihnen.
    Sie durchflogen Sturmzonen, rote, wirbelnde Gasozeane und kamen schließlich zu einem Schacht, weit wie eine Welt, in dessen Tiefen ein gleißender, kreisender Brand wütete.
    „Hier können wir den Seelenstein zerstören und die darin gefangene Seele Kudais befreien“, sagte Bogenfall des Lichts am Rand des Abgrunds stehend. Die Tiefe kreiste wie ein Strudel um die gewaltigen dort unten wütenden Energien.
    Nadragír war es, der den Seelenstein, der in der Brust des Homunkulus gesessen hatte mit sich führte. Er hielt ihn vor sich, und Auric war, als richtete sich die Aufmerksamkeit der anderen Versammelten auf ihn, obwohl er nicht als Gestalt unter ihnen stand. Darachel, Bruc, Siganche, Cedrach, sie sahen auf sein Bewusstsein hin, das mit dem ihren in der Konklavsphäre verbunden war, während sein Körper auf seiner

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