Der Fall der Feste
waren mit zu viel Wucht gekommen. Sie hatten ihre Ordnung zerrieben. Wie konnte man ihnen ihre Wucht nehmen?
Erste Feuer glommen vor dem hart gekerbten Schattenriss der Talenge, durch die sie gekommen waren. Feldscherzelte, Wagen und Planen des Trosses. Eine Abteilung Reiter galoppierte vor dem dunklen Schatten des Elsternforsts an ihnen vorbei. Ein vages Huschen in der Düsternis, mehr zu hören als zu sehen. Das Stapfen der Hufe klang dumpf, die Rufe der Reiter wie von ihren Lippen gerissen. Von den Feldscherzelten gellte schon Geschrei in den sternenklaren Himmel. Konnte es gelingen, sich in der Nacht durch die Talenge abzusetzen?
Wie Gespenster standen sie um das große Feuer versammelt, fast alle mit blutigen Verbänden, ihre Kleidung zerrissen, die Gesichter hohl. Die Flammen flackerten hoch, ihr wandernder Schein ließ Einzelheiten plötzlich rot und scharf hervortreten, dann wieder in Dunkelheit fallen. Die Anzahl der auf seinen Befehl herbeigeeilten Offiziere der Föderierten war erschreckend geschrumpft. Wie viele waren gefallen, wie viele aus den Reihen dieser Truppe im unkontrollierbaren Durcheinander der Schlacht desertiert?
Crussavs Gesicht war eine zuckende Masse. Er wurde zerrissen vom Hin-und-her-Gezerrtwerden zwischen tiefster Erschöpfung und bebender Wut. Er wollte zu ihm gehen und ihn beruhigen. Es war nicht seine Schuld, dass die westliche Flanke so schlecht standgehalten hatte. Er hatte sein Bestes gegeben, als ein Offizier, der eine solch heikle Truppe neu und unvorbereitet übernommen hatte.
Er blickte in das Rund der vom Feuer rot beleuchteten Gesichter.
„Ich habe Arbeit für euch“, sagte er.
Selbst das protestierende Murmeln, das sich daraufhin erhob, war nur noch matt und ausgehöhlt.
„Wenn ihr die erledigt habt“, fuhr er fort, „könnt ihr gehen.“
Rund um das Feuer bohrten sich ungläubige Blicke in ihn. Sie glaubten, nicht richtig gehört, ihn nicht richtig verstanden zu haben. Sie glaubten an einen grausamen Scherz.
Er begann zu erläutern.
Ähnliche Ungläubigkeit bei den Surkenyaren.
„Die Surkenyaren sollen nicht reiten?“ „Aber das Reiten, die Schnelligkeit ist doch unsere Stärke.“ Gemurmel und Proteste flackerten hoch. Diese Stärke war an diesem Tag zu wenig nutze gewesen.
„Eine Truppe von Flachbogenschützen“, sagte er, „soll von einer erhöhten Stellung aus eine Aufgabe übernehmen und dabei auf der Stelle bleiben. Ihr seid eine Truppe von Flachbogenschützen, und auf euren Pferden sitzt ihr in erhöhter Stellung.“ Wieder begann er zu erklären.
Vom Tross her hörte er Weinen und Klagen. Einzelne Wagen setzten sich in Bewegung, auf den Eingang der Talenge zu. Niemand wehrte es ihnen.
Als er geendet hatte, und die ersten Surkenyaren beiseite traten, sah er den Boten, der die ganze Zeit stumm gewartet hatte, und ging zu ihm herüber.
Sie hatten Czand gefunden. Sie lebte.
Er hörte ein furchtbares Schreien, war aber so abgestumpft von all dem Gebrüll und Gekreische und Schmerzensgeschrei, das er schon den ganzen Tag lang hatte hören müssen, dass er es zurückdrängte und weiter forsch auf Czands Zelt zuschritt.
Als er die Zeltklappe zurückwarf und eintrat, traf ihn erneut der furchtbare Geruch der Verwesung. Es schien, als könnte er ihm an diesem Tag nicht entkommen, er folgte ihm, wohin immer er auch kam.
Er blickte zu dem Feldbett herüber, an dem ein Pulk von Feldschern und Heilgehilfen stand und alles Blut gefror ihm. Die Schreie, die er draußen gehört hatte, kamen von hier drinnen, von einem Körper, der sich bog und bäumte und dessen Gesicht die Züge Czands trug.
Er war auf der Stelle erstarrt. Er musste sich wie gegen einen massiven Widerstand zwingen, seine Beine wieder in Bewegung zu setzen. Die Entfernung von wenigen Schritten zu überwinden. Heranzutreten. Damit anzuerkennen, wer das war, der dort lag und schrie.
Er sah auf das Gesicht herunter, verzerrt vom Schreien, doch sie sah ihn nicht, gefangen und allein in ihrer Pein.
Czand war furchtbar zugerichtet. Das Schlimmste, das, was ihm als Erstes auffiel, war, dass ihr linker Arm abgetrennt war. Knapp unterhalb der Schulter. Außen wie ein sauberer Schnitt, nach innen hin hingen grob und zerfetzt Sehnen und Fleischfetzen herunter. Der Arm, der ihn so oft gehalten hatte, war verschwunden.
Ein Bein, so sah er jetzt, fast auch.
O mein Gott.
Alles Blut schien aus ihm zu weichen. Eine Eiseskälte ergriff ihn.
Schnitte und Stiche kreuz und quer durch den
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