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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Oberschenkel, wie von einem Fleischerbeil, alles war zerhackt, ein großer Brocken Fleisch fehlte. Da waren nur bloße Sehnen, rohes Fleisch, man sah den Knochen durch. Auch der beschädigt – er sah Knochensplitter in der roten Masse. Das taugte nicht mehr zum Laufen oder Stehen. Von der Infektion ganz zu schweigen.
    Dann der Bauch, die Hüfte.
    O mein Gott.
    Er sah sich mit der Hand über ihren straffen Bauch streifen, wie er es so oft getan hatte. Er sah sich über diese Schlachterreste streifen. Ein verschlingendes, zermalmendes Grauen ergriff ihn.
    Sein Blick glitt hoch zu der Gruppe, die neben dem Feldbett stand. Alle Blicke wichen ihm aus, nur der Feldscher selber hatte den Mut, ihn anzuschauen und einfach nur stumm den Kopf zu schütteln.
    „Was ist mit den Schmerzen?“ Seine Stimme brach weg, kam tonlos, ein farblos heiserer Hauch.
    „Ich habe ihr etwas zum Betäuben gegeben. Wenn ihr Körper das noch irgendwie verarbeiten kann, müsste es gleich wirken.“ Der Feldscher blickte weg, räusperte sich, schaute wieder hoch. „Es sind die Bauchverletzungen. Das ist das, was die meisten Schmerzen macht. Eine Menge Nervengewebe, viel Empfindliches.“
    „Ist da nicht alles zerstört?“
    Der Feldscher hob vage die Hand, brummte unbestimmt, legte den Kopf schief.
    Er solle schon gehen, er und seine Heilgehilfen, er habe bestimmt genug zu tun, es gebe bestimmt genug andere, die seine Hilfe brauchten, genug, denen er wirklich helfen könne, wollte er sagen. Anscheinend hatte er auch etwas von dem tatsächlich gesagt, denn die Gruppe von Feldscher und Heilgehilfen drehte sich um und verließ das Zelt.
    Als sein Blick von der sich schließenden Zeltklappe zu Czand zurückwanderte, sah er, dass sie ihn anschaute. Ihr Blick grub sich in seinen, mit harter Intensität. Die Schmerzen hatten dunkle Schatten um ihre Augen gezeichnet. Ein Netz von Falten, die vorher nicht da gewesen waren, trat tief eingekerbt hervor. Erst jetzt bemerkte er, dass ihr Schreien erstorben war.
    „Tust du mir einen letzten Gefallen?“
    Er bekam keine Antwort heraus. Alle Laute saßen vertrocknet und verödet in seiner Kehle fest. Worte, die er hätte sagen können, waren irgendwo in einem weißen Strudel verschwunden. Ein schwaches Nicken, das war alles, was er hinbekam.
    Ihr war es Antwort genug.
    „Hau ab, mach dich davon, das ist es nicht wert!!!“, stieß sie mit heiserer Heftigkeit hervor. Fast wäre er zurückgefahren.
    Dann schien sie abzudriften, ihr Blick ging ins Leere. Irgendwo zur Zeltdecke hin. Das Schmerzmittel schien zu wirken. Sie schien nicht mehr erreichbar. Er wollte ihren Puls fühlen, griff hin, stockte –
    Auf seiner Seite war nichts mehr, woran er den Puls erfühlen konnte. Kein Handgelenk, kein Arm. Er griff über sie hinüber, legte die Hand auf ihr schweißdurchtränktes, blutbesudeltes Unterhemd über ihrem Busen. Ein Herzschlag. Sie lebte noch.
    Die Zeltklappe schlug zurück. Jag bückte sich hindurch, Nefraku folgte ihm. Beide hatten sich noch nicht das Blut aus dem Gesicht waschen können. Sie stockten beide bei dem Anblick.  
    Der Schock stand Jag ins Gesicht geschrieben.

    „Töte mich! Bring mich um! Mach endlich ein Ende!“, brüllte sie ihn an, als die Schmerzen zurückkehrten und sie wieder zu schreien anfing.
    Auric wandte sich schweigend von ihr ab. Er wusste, dass er das nicht konnte. Er konnte es nicht.
    „Dann besorg mir Rott. Oder Jinsai. Ja, besorg mir Jinsai.“
    Nefraku sah ihn an, sie wechselten kurz einen Blick, dann verschwand der Habburani lautlos aus dem Zelt.

    Nefraku kam wieder, brachte eine kleine Holzdose mit zimtfarbenen Pulver und eine Pfeife mit. Czand wies die Pfeife zurück, nahm mit zitternden Fingern ihrer verbliebenen Rechten Pulver aus der Dose, stopfte es sich in den Mund und rieb es sich ins Zahnfleisch. Nach einiger Zeit erstarben die Schmerzkrämpfe und ihre Augen verschleierten sich. Sie schloss sie und lag stumm, schweigend und ruhig da, zum ersten Mal seit Auric das Zelt betreten hatte.  
    Jag trat hinter ihn, legte ihm die Hand auf die Schulter.
    „Geht zu Crussav“, sagte Auric zu ihm, verwundert, wie klar und sachlich und kalt seine Stimme klang. „Lasst euch von ihm alles erklären. Er weiss Bescheid.“  
    Jag verließ wortlos gemeinsam mit Nefraku das Zelt.

    „Willst du es noch immer wissen?“
    Auric schrak hoch.
    Czand sah ihn an. Er hatte mit in die Hände vergrabenem Gesicht neben ihr gesessen, weil er es nicht mehr ertragen konnte, dass seine

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