Der Fall der Feste
nehmen wollte, erschien also in mehr als einer Hinsicht eine sinnvolle Aktion.
Die Kinphauren lagerten am Fuß der Feste, einem ebenen Talgrund, der nur mit borstigem, kärglichen Gras und Strauchwerk bewachsen war, als sei die Natur nur mit großer Zurückhaltung bereit, sich dieses Territorium wiederzuerobern. Ein dünner Wasserfall stürzte die der Festung vorgelagerten Klippen herab. Sein Wasser sammelte sich zu einem flachen Teich und plätscherte dann über Felsen und Moos einer unpassierbaren Schlucht am anderen Ende des Tales zu. Auric überschlug kurz die Zahl der dort Versammelten, fand, dass fast alle von den Spähern gemeldeten Kinphauren sich außerhalb des Bauwerks aufhalten mussten. Auch der Homunkulus war bei ihnen.
Rufe erschollen, als die ersten Kinphauren ihre Annäherung bemerkten. Eilig versuchte man dort zu einer Aufstellung zu finden und sich für ihren Angriff zu wappnen. Vom Echo in dem engen Tal verzerrt, hörte man die Befehle des Homunkulus über die Rufe der Menge hinweghallen.
Auric machte die vertraute Bewegung mit der Hand über die Schulter hinweg, schloss seine Hand um den Schwertgriff und zog die Klinge in geübtem Schwung. Das sirrende Klingen ertönte, im Augenwinkel sah er einen Lichtsplitter die Klinge entlang gleiten. Wieder einmal, ein weiterer Kampf in einer endlosen Kette. Er fühlte sich wund und taub von all den Kämpfen, nicht nur körperlich. Würde es einen Tag geben, an dem all das Kämpfen irgendwann einmal aufhörte? Bestimmt würde es das – auf die eine oder andere Weise. Die Frage war, ob ihm dann nach jenem Tag noch andere Tage zu leben blieben. Mit einem Gefühl der Müdigkeit registrierte er, dass es ihm weniger und weniger ausmachte, wie die Antwort auf diese Frage lautete. Er gab sich einen Ruck; es ging hier nicht um ihn allein.
„Schickt die Spitzohren in die Hölle!“, schrie er. Mit aller Wut und allem Feuer, das er aufbringen konnte. „Die Sechzehnte ist der Alptraum ihrer Feinde!“ Ja, es kam wohl mit dem richtigen Ton, er konnte es noch, denn die Truppe stimmte wild ein. Er hörte sich selber schreien, fühlte es auch, doch dem stillen abgespalteten Beobachter in seinem Geist klang es hohl. Von Alpträumen wusste er zu viel, als er dem Gehalt dieses Rufs wirklich auf den Grund gehen mochte.
Mit kurzem Seitenblick zu Jag trieb er mit kräftigem Schenkeldruck sein Pferd an, fühlte wie die Masse des Tieres unter ihm reagierte, die Beine rhythmisch ausgriffen, das Trappeln der Hufe an Geschwindigkeit gewann, sah die Welt in diesem heftigen Gleichmaß immer stärker schwanken, reckte sein Schwert in Richtung des Feindes in die Luft empor. Ging durch die Routine. Gesten für seine Leute, Gesten deren Wichtigkeit ihm mit den Jahren selbstverständlich geworden waren. Abgeschmacktes Zeug hatte er das damals genannt, als er selber es war, der von altgedienten, schlachtgegerbten Experten in den Kampf geführt wurde.
Der Keil ihrer Pferde flog voran, doch kein Insekt, kein Vogel stieg vor ihrer Annäherung auf, als habe der kalte Schattenfall einer Vorahnung das Tal für die Begegnung der beiden Parteien von allem anderem Leben geräumt. Er hörte den Hufdonner der ihm folgenden Reiter, der ihn in seinem Rücken vorwärts trug, sah die Kinphauren dort vor ihnen sich in hektischen Knäueln zu einer eiligen Schlachtreihe zusammenrotten, sog tief den Atem in seine Lungen und holte es aus tiefsten Eingeweiden, ließ den röhrenden, irren Kampfschrei in die Bergluft donnern, hörte Jag, dann auch die anderen in sein Gebrüll einfallen. Wie zur Antwort nahm er, bevor er auf die Reihen der Kinphauren traf, ein röhrendes Brüllen des Homunkulus wahr.
Ein durch die Geschwindigkeit seines Reittiers verwaschener Schleier dunkler Rüstungen, Kettenhemden, schneidend weißem Blitzen entlang hellem Stahl und bleichen, verzerrten Gesichtern, der schnell auf sie zuraste, dann das Zusammentreffen. Ein Körper der gegnerischen Frontlinie wurde von seinem vorpreschenden Pferdes beiseite gefegt – er spürte den Aufprall, hörte den Schrei –, sein Schwert fuhr herab in die aufgebrochene Menschenmauer, durchbrach die Abwehr einer Klinge, grub sich durch Kettenschutz. Der Gegner fiel weg, blieb zurück. Sein Pferd ging auf die Hinterbeine, schlug aus. Er teilte mit dem Schwert aus dem Sattel herab Hiebe rechterhand aus, versuchte die ungeschützte Seite des Pferdes irgendwie von den Elfen fern zu halten. Er war froh um die Reichweite, die ihm sein Langschwert
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