Der Fall Lerouge
antwortete ich. Da senkte er den Kopf und sagte leise: âºIch bin Ihnen nicht feind, daà Sie diesen Schritt getan haben, bitte Sie nur darum, so lange zu warten, bis der Graf wieder in Paris ist. Ich verspreche Ihnen, daà er alles erfahren und daà das Recht siegen soll. Wenn ich auch alles verliere, meinen Namen, mein Vermögen und, das ist für mich das schlimmste, sicherlich auch Mademoiselle dâArlanges, meine Verlobte, so werde ich dafür eine Mutter gewinnen. Was in meinen Kräften steht, werde ich tun, um sie darüber hinwegzutrösten, daà Madame Gerdy Sie verliert. Ich will um ihre Liebe durch kindlichen Eifer werben.â¹Â«
»Erstaunlich.«
»Ja, so hat er gesprochen.«
»Ich würde gern einmal mit ihm reden«, sagte Tabaret wie nebenher.
»Von der Verabschiedung der Madame Gerdy durch den Grafen weià er nichts. Den Brief habe ich ihm nicht gezeigt, damit er nicht von vornherein eine schlechte Meinung von seiner Mutter hat.«
»Und was denken Sie nun zu tun?«
»Auf die Rückkehr des Grafen zu warten. Ihn muà ich erst hören, ehe ich Entscheidendes unternehme. Bis dahin werde ich beim Untersuchungsrichter um die Erlaubnis einkommen, die Akten über die arme Claudine einsehen zu dürfen. Vielleicht sind die Briefe noch da, und ich bin gerechtfertigt, wenn nicht ... Was raten Sie mir, Vater Tabaret?«
»Auch kurzer Rat braucht lange Ãberlegung.« Tabaret schien es plötzlich eilig zu haben, sich zu verabschieden. »Ich bedaure Sie aufrichtig.«
»Das können Sie auch. Und wenn Sie wüÃten, daà ich zu alledem noch in Geldschwierigkeiten bin ...« Noël schlug den Blick nieder.
»Sie? Sie sind doch die Bedürfnislosigkeit in Person!«
»Ich habe jemandem einen gröÃeren Betrag geliehen, und das gerade jetzt, da ich es nicht mehr über mich bringe, Madame Gerdys Vermögen als mein eigenes zu betrachten. Ich kann es einfach nicht mehr.«
»Das brauchen Sie auch nicht. Vielmehr könnten Sie mir einen Gefallen tun.«
»Sehr gern. Und womit?«
»Bei mir liegen ein paar tausend Francs im Schreibtisch. Die bereiten mir schon seit langem Kopfzerbrechen. Wie, wenn jemand dahinterkommt, daà ich so viel Bargeld in meiner Wohnung habe? Wie wärâs, wenn ich sie Ihnen morgen zur Aufbewahrung geben würde. Oder noch besser: heute. Dieses Geld will ich nicht noch eine Nacht in meiner Wohnung haben.«
Er verlieà eilends das Zimmer und kam bald darauf mit fünfzehn Tausendfrancscheinen zurück.
»Falls Ihnen das nicht genügt«, sagte er, als er das Geld an Noël übergab, »Sie können noch ein paar Scheine haben.«
»Ich schreibe Ihnen eine Quittung aus.«
»Das hat morgen noch Zeit.«
»Gesetzt den Fall, ich sterbe heute nacht?«
»Dann muà ich mich sowieso nach einem anderen Erben umsehen«, brummte Tabaret vor sich hin. Laut sagte er: »Schlafen Sie gut. Ich werde über Ihren Fall nachdenken.«
Kurz nachdem Vater Tabaret gegangen war, verlieà auch Noël das Haus durch einen Hinterausgang, der durch eine ehemalige Remise führte. Bei sich trug er ein Päckchen, das er einer Schublade seines Sekretärs entnommen hatte, und das Geld Tabarets.
* * *
A uf der StraÃe stieg er nach einigem Zögern in eine vorüberfahrende leere Droschke. An der Ecke der Rue Provence lieà er halten, ging einige Dutzend Schritt weiter und klingelte an der Tür eines der schönsten Häuser der StraÃe. Er ging an der Frau, die öffnete, vorbei, stieg in die zweite Etage und schloà die Tür zur dortigen Wohnung auf, als sei er hier zu Hause.
Das Geräusch lockte eine hübsche Kammerjungfer herbei.
»Sie sindâs, Monsieur!« rief sie so laut, daà es in der ganzen Wohnung zu hören war und sich wie ein verabredetes Stichwort anhörte.
»Ist Madame zu Hause?«
»Oh, Monsieur, Madame ist ärgerlich! Schon heute morgen sollte ich Sie suchen, dann wollte sie sich selbst nach Ihnen auf den Weg machen ...«
»Wird wohl halb so schlimm sein«, sagte Noël. »Wenn Sie sich ins Rauchzimmer begeben würden. Ich bereite ihr gerade Tee. Darf ich Ihnen auch eine Tasse machen?«
»Bitte, Charlotte«, sagte Noël und ging an dem Mädchen vorüber.
Nachdem er eine Flucht prächtig ausgestatteter Räume durchschritten hatte, betrat er das Rauchzimmer. Ein Diwan,
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