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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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in dem Albert de Commarin verkehrte, und am frühen Nachmittag hatte er einen jungen Mann aufgetrieben, der, selber Mitglied dieses Clubs, bereit war, ihn dort einzuführen. Auf dem Weg zum Club hielt er mit klammen Fingern den Griff des Revolvers in seiner Tasche umklammert, während sein Denken nur um den geplanten Mord kreiste. Die Vorstellung, daß man ihn verhaften und ins Gefängnis stecken würde, schreckte ihn nicht. Claire liebte ihn nicht, und vor dieser Tatsache verlor alles andere seine Bedeutung.
    Im Club zeigte ihm der Freund einen blasiert dreinblickenden jungen Mann von bräunlichem Teint, der in einer Zeitung las. Das sei Albert de Commarin.
    Entschlossen ging Daburon auf den Mann zu, bereit, den Revolver zu ziehen und zu feuern. Doch als er dann nahe vor Albert stand, überfiel ihn eine unerklärliche Lähmung, und wie von einer unsichtbaren Kraft bewegt, machte er auf dem Absatz kehrt und floh. Verständnislos blickte ihm der Freund, der ihn hier eingeführt hatte, nach.
    Auf der Straße schwanden Daburon die Sinne. Er fiel aufs Pflaster, und Passanten und Polizisten kümmerten sich um ihn und brachten ihn nach Hause, nachdem sie in seiner Rocktasche seine Adresse gefunden hatten. Erst sechs Wochen später, während deren er zwischen Leben und Tod geschwebt hatte, kam er wieder zu sich. Jetzt erst, meinten die Ärzte, sei er außer Lebensgefahr. Doch er war noch zu schwach, um lange wach zu bleiben; während er noch darüber nachsann, ob er zurechnungsfähig gewesen war, als er den Mord hatte begehen wollen, und ob man ihn als Mörder hätte verurteilen können, schwanden ihm wieder die Sinne. Jedoch fühlte er sich einige Tage später schon kräftig genug, um seinem Vater alles zu berichten. Der aber war von äußerst praktischem Sinn, und obwohl ihm das unglückliche Erlebnis seines Sohnes zu Herzen ging, versuchte er, ihn davon zu überzeugen, daß sich der Mordplan nur in den Phantasien des Fiebers abgespielt habe. Im übrigen ermunterte er ihn, an anderes zu denken, und er stellte ihm sein ganzes Vermögen zur Verfügung. Kurz bevor der Vater auf seine Ländereien zurückkehrte, riet er ihm noch, ein dralles Mädchen aus Poitou zu heiraten.
    Zwei Monate später nahm Daburon seinen Dienst wieder auf. Aber er war nicht mehr der alte. Etwas in ihm war zerbrochen, das spürte er deutlich. Auch äußerlich hatte er sich verändert, und als er eines Tages wieder einmal die alte Marquise aufsuchte, stieß diese einen Ruf des Erstaunens aus. Da sie leidende Gesichter auf den Tod nicht mochte, legte sie auch keinen Wert mehr auf fernere Visiten. Claire aber dachte erschüttert darüber nach, wie sehr Daburon sie geliebt haben mußte und ob Albert ihr je so viel Liebe entgegenbringen würde.
    In der folgenden Zeit suchte Daburon Vergessen in Vergnügungen zu finden, und er fand kein Vergessen. Erst als er sich in die Arbeit stürzte, in der Pflichterfüllung einen Sinn suchte, genas er allmählich wieder. All diese Bilder hatte Tabaret heraufbeschworen, als er den Namen Albert de Commarin nannte. Längst Totgeglaubtes war in Daburon wieder lebendig geworden und hatte ein Schauspiel abrollen lassen, in dem er Akteur und Zuschauer zugleich gewesen war.
    Zur eigenen Scham mußte Daburon sich eingestehen, daß er zunächst nichts als Befriedigung empfand. Jetzt war ihm der Mann ausgeliefert, um dessentwillen Claire ihn abgewiesen hatte, und er war jetzt nicht mehr der aristokratische Sproß einer schwerreichen Familie, sondern ein Bastard, der seine Hände mit einem Mord befleckt hatte, um sich seinen angemaßten Namen zu erhalten. Und er, Daburon, sollte ihn der Gerechtigkeit überliefern!
    Doch diese Stimmung währte nicht lange, sein Ehrgefühl siegte bald über die Anwandlungen niedrigen Triumphs. Haß und Recht waren kein Paar, das zusammenpaßte. Das wußte er, und hatte er sich in der Vergangenheit stets bei Beginn einer Untersuchung vor Augen gehalten, daß er selbst nahe daran gewesen war, einen Mord zu begehen. Um wieviel schwerer mußte das Bewußtsein in diesem Fall wiegen! Er erkannte die erste Gefühlsaufwallung als Feigheit und seiner nicht würdig. Vorübergehend überkam ihn sogar die Idee, Albert de Commarin um Claires willen zu retten, ihm seine Ehre und sein Leben zu lassen. Doch er tat den Gedanken bald wieder ab, da er einsah, daß Vater

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