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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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ahnte, daß ein Verhängnis auf ihn zukam, das er nicht abwenden konnte. Ratlos blickte er auf das weinende Mädchen, das ihr Gesicht in den Händen verborgen hatte.
    Â»Sie stürzen mich ins Unglück!« schluchzte sie. »Ich?« Daburon war kaum der Sprache mächtig. »Wodurch? Sagen Sie doch ein Wort!« Und er fiel vor ihr aufs Knie und versuchte erneut, ihre Hand zu fassen. Sie aber stieß ihn zurück.
    Â»Ich weiß«, sagte sie, »Sie werden mich hassen. Aber, bei Gott, ich habe von allem nichts geahnt. Ich war doch nur glücklich, einen Freund gefunden zu haben, dem ich mich wie einem Vater anvertrauen konnte.«
    Â»Wie einem Vater!« wiederholte er dumpf und stand auf.
    Â»Ach, hätte ich Ihnen doch schon früher mein großes Geheimnis anvertraut. Dann wüßten Sie: Mein Herz gehört einem anderen!«
    Â»Ihr Herz gehört einem anderen.« Fast tonlos kam das Echo von seinen Lippen. »Und warum machen Sie ein Geheimnis daraus? Warum weiß Ihre Großmutter nichts davon?« fragte er, als er sich wieder gesammelt hatte.
    Â»Wir stehen vor einer großen Schwierigkeit«, antwortete Claire leise, »und ich weiß nicht, ob wir sie jemals werden aus dem Weg räumen können. Ich bin arm, und sein Vater besitzt unvorstellbare Reichtümer, und er besteht auf einem gleichwertigen Ehepartner.«
    Â»Und das hindert den jungen Mann, sich öffentlich zu Ihnen zu bekennen?« Zorn und Bitterkeit mischten sich in Daburons Stimme. »Mir wäre kein Opfer zu groß, das ich Ihnen bringen müßte. Was ist das für eine Liebe, die sich auf Heimlichtuerei, auf vielleicht vergebliches Warten gründet?«
    Â»Das ist meine Liebe«, sagte Claire.
    Nun verstand Daburon, daß er sich keine Hoffnung machen dürfe. Dennoch fragte er in einer Art verzweifelter Selbstkasteiung nach weiteren Einzelheiten des Verhältnisses von Claire und ihrem Liebhaber, und Claire erzählte ihm, wie sie ihn kennengelernt hatte und wie sie sich seitdem heimlich mit ihm im Salon einer Freundin der Großmutter traf und wie sehr es ihn schmerzte, daß der Vater einer Heirat seinen Widerstand entgegensetzte.
    Â»Wer ist denn dieser Mann«, rief er, »daß er es wagen kann, Sie zurückzuweisen?«
    Â»Es ist der Graf Commarin, und sein Sohn, Albert de Commarin ...« Sie unterbrach sich, da in diesem Moment die Marquise den Garten betrat und den Richter zum Kartenspiel aufforderte. Ehe er dem Wunsch der Alten nachkommen konnte, hielt Claire ihn zurück und beschwor ihn, Verschwiegenheit in dieser Angelegenheit gegenüber der Großmutter zu wahren.
    Â»Natürlich werde ich hinfort Ihr Haus meiden, und Sie werden den Namen eines Mannes bald vergessen, den Sie unglücklich gemacht haben«, sagte Daburon.
    Â»Entziehen Sie mir Ihre Freundschaft nicht!«
    Es dauerte eine geraume Weile, ehe er antworten konnte: »Ich werde alles tun, um den Anschein zu vermeiden, wir seien im Unfrieden auseinandergegangen. Aber was auch kommen mag, Sie werden immer einen guten Freund in mir haben.«
    Mit diesen Worten verließ er sie, ging ins Haus und setzte sich zu der Marquise an den Spieltisch. Doch schon nach kurzer Zeit entschuldigte er sich unter irgendeinem Vorwand und wurde von der Alten, die das seltsame Gebaren dieses Mannes aus dem Bürgertum arg mißbilligte, ungnädig entlassen.
    * * *
    Z iellos wanderte Daburon durch die Straßen der Stadt, ohne Hut und den Kopf voller trauriger Gedanken, die immer wieder auf dasselbe hinausliefen: daß er, der kleine Untersuchungsrichter, mit einem Sproß aus einem der ältesten Geschlechter des Landes eben nicht konkurrieren könnte. Je länger er aber so durch die Straßen streifte, desto mehr begann sich seine Niedergeschlagenheit in Zorn zu verwandeln, und nichts mehr blieb in diesen Stunden von dem klugen Richter. Gefühle der Vergeltung beherrschten ihn, und endlich faßte er den Entschluß, Albert de Commarin zu töten.
    Es war schon heller Tag, als er auf einer Bank im Bois de Boulogne wieder zu sich kam. Er schleppte sich zum Maillottor und ließ sich von einer Kutsche nach Hause fahren, wo er den ganzen Tag in einer Art Trance zubrachte. Ohne daß er es wollte, ging ihm das Erlebte wieder und wieder durch den Kopf, bis er, sorgfältig gekleidet, einen Waffenhändler aufsuchte, wo er einen Revolver erstand. Als nächstes ermittelte er den Club,

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