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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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Francs im Monat, manchmal mehr, wenn sie guten Cognac kaufte.«
    Das war alles, was die Frau zu berichten wußte. Der Junge war groß und kräftig und hatte ein intelligentes Gesicht, auf dem sich keine Spur von Scheu vor den Polizisten zeigte.
    Â»Erzähl uns mal, was du weißt«, sagte Daburon ermunternd.
    Â»Am Sonntag, Monsieur, habe ich einen Mann an Madame Lerouges Gartentür gesehen.«
    Â»Wann war das?«
    Â»Ich ging in die zweite Messe.«
    Â»War es ein großer Mann mit braunem Backenbart und in einer grauen Bluse?«
    Â»Nein, er war sehr klein und dick. Ein alter Mann.«
    Â»Und das weißt du genau?«
    Â»Ich habe doch mit ihm gesprochen, als er an der Gartentür stand.«
    Â»Hat er dich angesprochen?«
    Â»Er rief: ›Komm mal her!‹ Und er war sehr aufgeregt und ganz rot im Gesicht. Dann fragte er mich, ob ich einen Botengang für ihn machen wolle. Er gab mir zehn Sous und trug mir auf, zum Kai zu laufen und auf einem Schleppkahn nach Kapitän Gervaise zu fragen. ›Sag ihm, ich bin bereit, er soll abstoßen.‹ Dann bin ich davongelaufen.«
    Â»Und was hast du dann getan?« fragte Daburon.
    Â»Die Bestellung ausgerichtet.«
    Gevrol wollte wissen: »Würdest du den alten Mann wiedererkennen?«
    Â»Bestimmt, Monsieur. Sein Gesicht war doch so rot.«
    Â»Wie war er angezogen? Trug er eine graue Bluse?«
    Â»Er trug eine Jacke, und aus seiner Brusttasche sah ein blaugewürfeltes Taschentuch heraus.«
    Â»Trug er eine Weste?«
    Der Junge dachte nach. »Ich glaube, er trug keine Weste, aber eine Krawatte, die am Hals mit einem Ring befestigt war.«
    Â»Ich wette, daß du dich an noch mehr Einzelheiten erinnern kannst, wenn du nachdenkst«, sagte Gevrol.
    Und der Junge dachte nach – plötzlich schlug er sich mit der Hand gegen die Stirn. »Natürlich! Er trug Ohrringe, sehr große Ohrringe!«
    Â»Gut so, mein Sohn.« Gevrol war sehr zufrieden. »Den Kerl mit den Ohrringen werde ich finden.«
    Daburon wandte sich wieder dem Jungen zu und wollte wissen: »Fuhr der Kahn flußaufwärts oder flußabwärts?«
    Â»Er fuhr gar nicht, er lag vor Anker.«
    Â»Ich meine: Wies der Bug nach Paris oder nach Marly?«
    Â»Ich weiß nicht, wo bei einem Kahn der Bug ist.«
    Â»Hast du den Namen des Schiffs lesen können?«
    Â»Nein, Monsieur.«
    Â»Wahrscheinlich haben einige Einwohner von Bougival den Namen gelesen«, sagte Daburon.
    Â»Außerdem werden wohl auch die Schiffsleute an Land gegangen sein«, fügte Gevrol hinzu. »Das kriege ich schon ’raus. Aber sag mir noch, mein Sohn, wie sah denn Kapitän Gervaise aus?«
    Â»Wie alle Schiffer aussehen, Monsieur.« Das war alles, was der Junge antworten konnte, und er wollte schon das Zimmer verlassen.
    Â»Hast du jemandem von diesem Erlebnis erzählt?« wollte Daburon noch wissen.
    Â»Meiner Mama. Und ich gab ihr dann auch die zehn Sous.«
    Â»Und du hast uns auch die Wahrheit gesagt?« fuhr der Untersuchungsrichter fort. »Das Gesetz ist sehr streng gegen Lügner.«
    Da wurde der Kleine feuerrot und stammelte: »Bestrafen Sie mich nicht! Ich will es gewiß nicht wieder tun! Der Mann hat mir zwanzig Sous gegeben ... die anderen zehn hab’ ich behalten ...«
    * * *
    D iese beiden Aussagen ließen wieder Hoffnung in Daburon keimen. »Am Sonntag also ist der alte Mann gesehen worden«, sagte er zu Gevrol. »Wir müssen herausbekommen, was Madame Lerouge an dem Tag getan hat.«
    Drei Nachbarn, die man befragte, sagten aus, die Witwe sei den ganzen Tag im Bett geblieben. Zu einer Nachbarin, die zu einem Krankenbesuch zu ihr gegangen war, hatte sie gesagt: »Heute habe ich etwas Schlimmes erlebt.« Aber keiner hatte den Worten irgendwelche Bedeutung beigemessen.
    Â»Monsieur«, sagte Gevrol, »in einer Woche habe ich den Mann mit den Ohrringen, und wenn ich jeden Kahn auf der Seine durchstöbern muß.«
    In diesem Augenblick kam Lecoq atemlos ins Zimmer und meldete: »Hier ist Vater Tabaret. Er wollte ausgehen, als ich ihn traf. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, auf den Zug zu warten, sondern hat ein Heidengeld für eine Kutsche ausgegeben.«
    Ihm folgte ein alter Mann, der so gar nicht dem Bild von einem Agenten der Polizei entsprach. Sein Gesicht, auf dem eine Mischung aus ständigem Staunen und Unbehagen lag, hatte ein zurückweichendes

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