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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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unterschrieb ohne Zögern und wandte sich dann Noël zu.
    Â»Meine Kräfte lassen nach, mein Sohn«, sagte er förmlich. »Hilf deinem Vater zum Wagen.«
    Voller Eifer willfahrte Noël diesem Wunsch, und er glänzte über das ganze Gesicht, als er den Arm des alten Herrn ergriff.
    Daburon konnte seine Neugier nicht zügeln, und nachdem die beiden das Zimmer verlassen hatten, ging er zur Tür und sah ihnen den Gang hinunter nach. »Daburon«, sagte er zu sich, »du hast heute mindestens einen Menschen glücklich gemacht. Das war also kein verlorener Tag.«
    Doch es blieb ihm kaum Zeit, sich seines Erfolgs zu freuen. Die Stunden waren wie im Flug vergangen, und Alberts Vernehmung stand noch auf der Tagesordnung, desgleichen die Anhörung der Diener und die Entgegennahme des Berichts des Polizeibeamten, der die Verhaftung vorgenommen hatte.
    Die Diener wurden einer nach dem anderen in das Zimmer gerufen. Was sie aussagten, war nicht von großem Belang; doch interessierte es Daburon sehr, daß sie allesamt Albert für schuldig hielten. An ihrer Einstellung ließ sich erkennen, daß ein Mann, der von dreißig Dienern umgeben ist, einem Versuchstier gleicht, das in einem Glaskasten hockt und vierundzwanzig Stunden am Tag ein Objekt schärfster Beobachtung wird. Jede Bewegung in der für ihn so verhängnisvollen Woche, die nebensächlichsten Reden, die er im Mund geführt hatte, seine unbedeutendsten Handlungen waren registriert worden und wurden nun erläutert und ausgelegt. Daburon hatte es wahrlich schwer, sich durch eine Menge von Details von geringem Wert zu quälen, die jetzt hochgespült wurden und entscheidend für Leben oder Tod Alberts werden konnten.
    Einen Vorteil allerdings hatte diese Flut von Informationen: Daburon konnte den Weg seines Gefangenen auf jedem seiner Abschnitte verfolgen.
    Seit der junge Graf am Sonntagmorgen angeordnet hatte, jedem Besucher auszurichten, daß er sich aufs Land zurückgezogen habe, wußte jedermann im Schloß der Commarins: Irgend etwas war nicht in Ordnung. Albert hatte den ganzen Tag in seinem Arbeitszimmer zugebracht und sich dort sogar das Essen auftragen lassen. Er war seltsam zerstreut gewesen und sprach kaum. Nur einmal sagte er zu einem der Diener, der Koch solle die Sauce stärker würzen. Doch er fügte dann hinzu: »Wozu eigentlich noch?«
    Auch das war als ungewöhnlich registriert worden: daß er den Dienern jeden Abend freigab, damit sie sich amüsieren konnten. Zudem verbot er jedem, seine Zimmer zu betreten, ohne daß nach ihm geläutet worden war.
    Der Frühaufsteher Albert stand am Montag erst gegen Mittag auf und klagte über Kopfschmerzen und Schwindelgefühl. Er trank eine Tasse Tee, und als Lubin, der Kammerdiener, meldete, daß der Wagen, wie befohlen, bereitstehe, schien er kein Interesse mehr an der Ausfahrt zu haben. Lubin hörte, wie er vor sich hin murmelte: »Zum Zaudern ist jetzt keine Zeit mehr« und »Ich muß ein Ende machen«.
    Am selben Tag wurde Lubin mit einem Brief zu Mademoiselle d’Arlanges geschickt; Joseph mußte einen zweiten Brief mit zwei Schecks über je tausend Francs in den Club bringen (an den Namen des Empfängers konnte er sich nicht mehr erinnern). Den Abend verbrachte Albert allein in seinem Arbeitszimmer hinter verschlossener Tür.
    Dienstag früh ging er dann unruhig im Hause umher, wie einer, der wartet. Der Gärtner, der ihn um einen Rat anging, wurde beschieden, auf die Rückkunft des Grafen zu warten.
    Um drei wurde ein Brief gebracht, und der junge Graf öffnete ihn mit fliegenden Händen. Einer seiner Diener hatte ihn murmeln hören: »Sie verläßt mich nicht!« Den Brief verbrannte er im Kamin.
    Zwei seiner Freunde, die sich nicht hatten abwimmeln lassen, speisten mit ihm zu Abend, wurden jedoch abschlägig beschieden, als sie ihn zu einer Soiree mitnehmen wollten.
    Nach dem Essen trank er allein eine Flasche Chateau Laffitte und rauchte zum Kaffee eine Zigarre. Zwischen halb acht und acht Uhr ging er zu Fuß fort, wobei er einen Schirm mit sich trug, und kehrte erst gegen zwei Uhr morgens zurück. Der Kammerdiener war am Mittwochmorgen über den Zustand der Kleider seines Herrn konsterniert. Nicht nur, daß sie naß und mit Straßenschmutz bedeckt waren, die Hose wies dazu noch Risse auf. »Schmeiß alles in die Ecke«, sagte Albert gleichgültig zu

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