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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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›Wer hat denn das größte Interesse an Claudines Tod?‹ Das, Monsieur, hat mich zu dem Ausruf veranlaßt.«
    Dem Untersuchungsrichter war diese Antwort durchaus plausibel. Wäre er an Alberts Stelle, er hätte vermutlich nicht anders reagiert. Und geschickt war diese Erklärung obendrein. Nahm sie doch die Frage vorweg, die er, Daburon, mit Sicherheit gestellt hätte: Wer hat denn das größte Interesse an Claudines Tod? Tabaret, der alte Fuchs, hat recht, dachte Daburon. Der Mann hier ist kein Tölpel. Geistesgegenwart und Phantasie sind seine starken Seiten.
    Â»Wirklich: Sie sind der einzige, der ein brennendes Interesse am Tod dieser Frau haben mußte. Ein Raubmord kommt nicht in Betracht, das haben wir ermittelt. Die Wertsachen, die mitgenommen wurden, haben wir aus der Seine gefischt. Wir wissen auch, daß alle Papiere von Madame Lerouge verbrannt wurden.
    Wen anders als Sie konnten diese Papiere belasten? Kennen Sie jemanden?«
    Â»Mir bleibt auf diese Frage keine Antwort.«
    Â»Sie sind doch oft bei Madame Lerouge zu Besuch gewesen.«
    Â»Oft nicht. Vielleicht drei- oder viermal habe ich meinen Vater zu ihr begleitet.«
    Â»Ihr Kutscher hat angegeben, er hätte die Tour zehnmal oder noch öfter gemacht.«
    Â»Der Kutscher muß sich irren. Und wenn wir so oft dort gewesen wären: Was hat das mit dem Tod von Claudine Lerouge zu tun?«
    Â»Sicher wissen Sie noch, wie das Haus eingerichtet war. Beschreiben Sie mir die Räume.«
    Â»Das kann ich, Monsieur. Das Haus bestand aus zwei Zimmern. Claudine schlief im hinteren Zimmer.«
    Â»Hätte Madame Lerouge Ihnen aufgemacht, auch nach Einbruch der Dunkelheit?«
    Â»Ich glaube schon.«
    Â»Wie ich erfahren habe, fühlten Sie sich in den letzten Tagen nicht sonderlich wohl.«
    Â»Ich war einem Zusammenbruch nahe, wenn Sie das meinen. Die Last, die Noël Gerdys Entdeckung mir aufgebürdet hatte, ging über meine Kräfte. Dennoch habe ich mich nicht vollends entmutigen lassen.«
    Â»Und warum sollte Lubin den Arzt nicht benachrichtigen?«
    Â»Was hätte ein Arzt schon ausrichten können? Sollte mich etwa die Medizin zum ehelichen Sohn des Grafen Rheteau de Commarin machen?«
    Â»Uns ist von einigen sonderbaren Bemerkungen berichtet worden, die Sie gemacht haben. Auch Ihre Interesselosigkeit an allem, was im Palais vor sich ging, ist uns bekannt – und daß Sie Papiere und Briefe verbrannt haben.«
    Â»Ich wollte so bald wie möglich ausziehen. Genügt Ihnen das als Erklärung?«
    Alberts Antworten auf die Fragen Daburons kamen prompt und wurden ohne Verlegenheit und zuversichtlich vorgetragen. Das machte Daburon unsicher, und er beschloß, eine andere Taktik anzuwenden. Einem solch raffinierten Gegner war nicht mit einfachen Mitteln beizukommen. Auch Einschüchterungsversuche schienen fehl am Platz, genauso wie Anstrengungen, ihn aus der Reserve zu locken.
    So fragte er denn, unvermittelt einen anderen Ton anschlagend: »Wie haben Sie Ihre Zeit am letzten Dienstag zwischen sechs Uhr abends und Mitternacht verbracht?«
    Diese Frage machte Albert offensichtlich unsicher. Unruhig schweiften seine Blicke, die bisher stets auf sein Gegenüber gerichtet waren, durch den Raum. »Dienstag abend zwischen sechs und zwölf?« Daburon wußte, Albert wollte Zeit zum Überlegen gewinnen. Er ist in die Ecke getrieben! schoß es Daburon durch den Kopf.
    Â»Ganz recht: Dienstag abend zwischen sechs und zwölf.«
    Â»Ich habe ein schlechtes Gedächtnis ...«
    Â»Das nehme ich Ihnen nicht ab!« unterbrach ihn Daburon. »Schließlich habe ich Sie nicht gefragt, was Sie an einem Dienstagabend vor drei Monaten gemacht haben. Der Dienstag, nach dem ich Sie gefragt habe, ist der Dienstag dieser Woche, Monsieur. Heute haben wir Freitag. Sie wollten sich doch wenigstens daran erinnern, daß es der Karnevalsdienstag war. Nun? Hilft Ihnen das weiter?«
    Â»Ich bin spazierengegangen.« antwortete Albert leise.
    Â»Wo haben Sie an dem Tag zu Abend gegessen?«
    Â»Zu Hause, wie immer.«
    Â»Es war an diesem Dienstag nicht wie immer. Oder trinken Sie immer nach der Mahlzeit eine ganze Flasche Wein? Mir scheint, Sie mußten sich an diesem Abend Mut antrinken, um Ihren Plan auch durchführen zu können.«
    Â»Ich weiß von keinem Plan«, antwortete Albert. Man sah es ihm an, wie wenig ihm die Wendung, die das Verhör

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