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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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Rechte nicht geltend machen konnte, sondern aus anderem, aber sehr ähnlichem Grund. Der Täter mußte die Gewohnheiten Alberts, sich zu kleiden, nachgeahmt haben. Hier mußte man einhaken.
    Zuerst aber galt es, Licht in die Vergangenheit der Witwe Lerouge zu bringen. Dazu mußte man auf die standesamtlichen Angaben aus ihrem Geburtsort warten, die das Gericht am nächsten Tag zu erhalten hoffte.
    Obwohl Tabaret fast die Augen zufielen, kehrten seine Gedanken an Albert zurück, und wieder wog er alles Für und Wider gegeneinander ab. Die Beweisstücke schienen gegen ihn zu sprechen. Aber Indizien waren nun einmal nicht alles, obwohl man sie nicht einfach außer acht lassen durfte. War Albert das Opfer eines unglücklichen Zufalls geworden? So etwas hatte es schon gegeben. Aber warum schwieg er so beharrlich darüber, wo er den Abend verbracht hatte? Tabaret dachte, daß es nicht seine Aufgabe sei, nachzuweisen, wo Albert gewesen war, sondern daß er sich nicht in Jonchére aufgehalten hatte. Vielleicht war Gevrol doch auf der richtigen Fährte.
    Mit der Überlegung, daß es seine, Tabarets, Aufgabe sei, Alberts Unschuld zu beweisen, da er den jungen Mann in die fatale Lage gebracht hatte, ging er zu Bett. Ein Traum, in dem er Albert gefesselt die Stufen zum Schafott hinaufsteigen sah, weckte ihn auf. Der unschuldige Delinquent hatte auf ihn gedeutet und geschrien: ›Der Mann ist mein Mörder‹«
    Zitternd und in Schweiß gebadet, lag Tabaret in den Kissen und brauchte eine ziemliche Zeit, bis er wieder zu sich kam. Dann erinnerte er sich auch, daß Albert vom Schafott herunter den Namen des wirklichen Mörders der alten Witwe gerufen hatte. Aber sosehr er auch sein Gedächtnis anstrengte, der Name wollte ihm nicht wieder einfallen.
    Tabaret stand auf, da an Schlafen nicht mehr zu denken war. Beim Schein einer Kerze machte er sich die heftigsten Vorwürfe, daß er durch sein Steckenpferd einen Unschuldigen in eine fast aussichtslose Lage gebracht habe. Nie mehr wollte er, war Albert erst einmal gerettet, seine Zusammenarbeit mit der Polizei aufnehmen.
    Im Morgengrauen kleidete sich Tabaret sorgfältig an, und um acht Uhr betrat er schon Daburons Büro im Justizpalast. Er fand den Untersuchungsrichter bereits beim Aktenstudium. Liebenswürdig begrüßte ihn Daburon und neckte Tabaret damit, daß er seine Theorien vom vergangenen Abend »ausgefallen« nannte und ihn fragte, ob ihn über Nacht sein kritischer Verstand wieder heimgesucht habe. »Oder haben Sie inzwischen sogar den wirklichen Mörder dingfest gemacht?« wollte Daburon wissen.
    Dieser unernste Ton aus dem Mund eines sonst so ernsten Beamten behagte Tabaret ganz und gar nicht. Er argwöhnte, Daburon verberge hinter ihm die Absicht, in Zukunft alles, was er vorbringen könnte, abzulehnen.
    Dennoch wiederholte er seine Ausführungen vom Vorabend, trug sie aber ruhiger und eindringlicher vor und appellierte an Daburons Herz wie an dessen Verstand. Aber der war ganz den handfesten Beweisen verhaftet, und so konnte Vater Tabaret mit den scharfsinnigen Theorien nichts ausrichten.
    Schließlich blieb Tabaret nichts, als sein Vorhaben vorerst aufzugeben und dem Untersuchungsrichter zu erklären, er setze sein Vertrauen in Daburons Klugheit und Unparteilichkeit. Im übrigen genüge es ihm, daß er ihn vor Schlüssen gewarnt habe, deren geistiger Urheber er, Tabaret, selbst sei und die den Richter auf den falschen Weg gebracht hätten.
    Â»Ich werde mit meinen Recherchen fortfahren«, sagte Tabaret, als er sich verabschiedete. »Ich bin neugierig, was die Untersuchung des Vorlebens der Witwe und die Aussage des Mannes mit den Ohrringen ergeben wird. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich über die kommenden Verhöre und Untersuchungen informieren würden.
    Die Erlaubnis, Albert auf einige Minuten sprechen zu dürfen, verweigerte ihm Daburon allerdings. Da nutzte Tabaret auch der Hinweis nicht, die von ihm geleistete Arbeit rechtfertige die kleine Vergünstigung. Daburon beharrte darauf, daß Albert weiterhin in strenger Einzelhaft gehalten werden müsse. Vielleicht könne man in drei oder vier Tagen noch einmal über das Anliegen sprechen.
    Â»Ihre Entscheidung trifft mich hart«, sagte Tabaret, »aber ich muß mich ihr wohl beugen.«
    Mit diesen Worten verließ er das Büro, da er befürchtete, er könne sonst seinen

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