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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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hätte ihn ein Geständnis milde gestimmt und Mitleid in ihm wachgerufen; der halsstarrige Albert stimmte Daburon unversöhnlich und machte aus dem sonst gerechten und fairen Richter einen Mann, der sich blind in die Aufgabe verrannt hatte, die Schuld seines Gefangenen zu beweisen. Die Meinungsänderung Tabarets machte ihn nur unsicher, brachte ihn nicht zu einem neuen Überdenken des Falls, sondern fügte seinen Bemühungen um den Nachweis der Schuld Albert de Commarins die Manie hinzu, die eigenen Maßnahmen unbedingt rechtfertigen zu müssen. So wurde das Verfahren mehr und mehr zu einer ganz persönlichen Angelegenheit des Untersuchungsrichters Daburon, der sich dabei aber stets bewußt blieb, daß er sich selber verabscheuen müßte, würde sich Alberts Unschuld erweisen. Das wiederum trieb ihn dazu, um jeden Preis zu versuchen, seinem alten Rivalen eine Niederlage zu bereiten, auch um den Preis des Mißbrauchs seiner Machtbefugnisse.
    Auch am Sonntag ließ ihn der Fall nicht los: Er prüfte die Berichte der nach Bougival entsandten Agenten. Da war mehrere Male von einer Frau die Rede, die den Mörder beim Verlassen des Hauses von Madame Lerouge gesehen haben wollte. Doch hatte noch keiner der Agenten ihre Identität ermitteln können.
    Ferner berichteten Daburons Leute davon, daß Tabaret gleichzeitig mit einem Dutzend gemieteter Männer in der Gegend um Jonchère recherchierte, und da diese mit Pferd und Wagen ausgerüstet waren, erwiesen sie sich als schneller denn die Beamten der Kriminalpolizei. Überall, wo diese nachforschten, waren Tabarets Leute schon gewesen.
    Einer der Agenten Daburons hatte Vater Tabaret getroffen, der ihm gesagt hatte: »Was soll der Unsinn mit den Fotografien? Warten Sie’s nur ab: In ein paar Tagen haben Sie mehr Zeugen, als Ihnen lieb ist, die Ihnen für drei Francs die Beschreibung eines Mannes liefern, die die Fotografie noch übertrifft.«
    Ein anderer war ihm auf der Chaussee begegnet, und zu ihm hatte er lachend gesagt: »Mann, was suchen Sie einen Mörder auf der Chaussee? Klappern Sie lieber die Seitenwege ab.«
    In Bougival hatte er zwei der Agenten angesprochen und ihnen anvertraut: »Ich bin ihm auf der Spur. Es war ein elegant gekleideter Mann. Er ist in Chatois gewesen und von drei Leuten gesehen worden, darunter von zwei Eisenbahnbeamten. Der dritte kann sogar beeiden, daß er mit ihm gesprochen hat.«
    Diese Eigenmächtigkeit Tabarets erzürnte Daburon dermaßen, daß er noch am Sonntagnachmittag nach Bougival fuhr, um den übereifrigen Amateurdetektiv nach Paris zurückzubeordern. Aber er fand Tabaret nicht. Der war mitsamt dem Wagen, den Pferden und seinen zwölf Männern wie vom Erdboden verschluckt. Wütend und abgespannt kehrte Daburon am Abend nach Paris zurück. Hier erwartete ihn ein Telegramm des Chefs der Detektivabteilung folgenden Inhalts: Habe Mann gefunden stop Reisen heute abend nach Paris ab stop Zeuge sehr wichtig stop Gevrol
    Das Telegramm war in Rouon aufgegeben.
    * * *
    A m Montagmorgen gegen neun, als Daburon das Haus verlassen wollte, um sich im Justizpalast mit Gevrol und vielleicht auch Vater Tabaret zu treffen, meldete das Dienstmädchen, eine junge Dame, die ihren Namen nicht nennen wolle, in Begleitung einer älteren begehre ihn zu sprechen.
    Daburon sagte, man solle sie vorlassen. Er glaubte, es handele sich um die Frau und die Mutter eines Gefangenen, um Bittstellerinnen in irgendeiner Strafsache.
    Als er das Öffnen einer Tür und das Knistern eines Seidenkleids hörte, stand er vorm Kamin und war damit beschäftigt, unter Visitenkarten eine Adresse herauszusuchen. Er drehte sich nicht sofort um, sondern warf einen Blick in den Spiegel.
    Er erstarrte, und die Schale mit den Visitenkarten fiel klirrend zu Boden, wo sie zerschellte.
    Er sagte mit hohler Stimme: »Claire!«, und dann noch einmal: »Claire!« Langsam, wie im Traum, kehrte er sich ihr zu. Sie hatte also den Mut gefunden, ihn aufzusuchen. Die ältere Dame, die wahrscheinlich im Vorzimmer wartete, war wohl die Gesellschafterin. Noch nie war Claire ihm so begehrenswert erschienen, auch damals nicht, als er Jahre seines Lebens für ein Wort der Zuneigung aus ihrem Mund gegeben hätte. Ihre Schönheit war von leiser Melancholie überglänzt. Sie ging auf ihn ganz unbefangen zu und reichte ihm die Hand.
    Â»Wir sind doch Freunde geblieben, nicht

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