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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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pünktlich zur Stelle, und ich warf ihm den Schlüssel über die Mauer, damit er es mit dem Aufschließen versuchte. Aber auch er hatte keinen Erfolg. Auf meine Bitte, das Gespräch auf den kommenden Tag zu verschieben, sagte er, die Angelegenheit sei dringend und vertrage keinen Aufschub. Vergebens versuchte ich, ihn davon abzuhalten, die Mauer zu überklettern. Sie ist nämlich ziemlich hoch und oben mit Glasscherben gespickt. Ich hatte Angst, er könnte sich verletzen. Mit einigen Schwierigkeiten schaffte er den Überstieg. Wir setzten uns auf die kleine Bank, die Sie ja kennen, und er berichtete mir von dem Unglück, das ihn betroffen hatte. Als es zu regnen anfing, liefen wir in den Pavillon. Weit nach Mitternacht verließ mich Albert beruhigt und glücklich. Wieder mußte er die Mauer übersteigen. Aber diesmal war es einfacher; denn er konnte wenigstens beim Aufstieg die Leiter des Gärtners benutzen.«
    Nachdem Claire ihren Bericht beendet hatte, schwieg Daburon. Er war sichtlich in Verlegenheit gesetzt. »Regnete es bereits«, fragte er nach einer Weile, »als Monsieur de Commarin über die Mauer stieg?«
    Â»Nein, Monsieur. Als die ersten Tropfen fielen, saßen wir auf der Bank. Ich erinnere mich deshalb noch so genau daran, weil Albert seinen Schirm öffnete.«
    Â»Entschuldigen Sie mich für einen Moment.«
    Daburon ging zum Sekretär, setzte sich und schrieb zwei Anweisungen. Die erste war an den Protokollanten im Justizpalast gerichtet und enthielt den Befehl, Albert sofort vorzuführen, wenn er, Daburon, eintreffe. Die zweite Anweisung enthielt die Order, einen Beamten unverzüglich zum Haus der d’Arlanges im Faubourg St-Germain zu entsenden, der den Boden im Garten und die Mauer nach Spuren untersuchen solle, die nach zweimaligem Überklettern der Mauer zurückgeblieben sein mußten. Die Untersuchung solle so unauffällig wie möglich vorgenommen werden.
    Dann klingelte er nach dem Dienstmädchen.
    Â»Sorgen Sie dafür, daß diese beiden Briefe ohne Verzug dem Schreiber übergeben werden. Legen Sie ihm ans Herz, daß er sie sofort lesen und meine Befehle so schnell wie möglich ausführen soll. Am besten nehmen Sie einen Wagen. Und suchen Sie nach Constant, wenn er nicht in meinem Büro sein sollte!«
    Daburon wandte sich an seine Besucherin, nachdem das Dienstmädchen gegangen war, und fragte sie: »Haben Sie noch den Brief, in dem Monsieur de Commarin Sie um die Unterredung gebeten hat?«
    Â»Ich glaube, ja.« Sie suchte in ihrer Handtasche und förderte ein zerknittertes Stück Papier zutage.
    Daburon überflog den Brief.
    Â»Kein Datum, kein Stempel«, sagte er vor sich hin. Claire überlegte fieberhaft, welche Beweise sie für das Rendezvous mit Albert noch geben könnte. »Vielleicht hat uns doch jemand gesehen«, sagte sie plötzlich. »Wenn man das gesamte Personal Großmamas befragte ...«
    Â»Mademoiselle, wo denken Sie hin! Wenn ich Ihr Personal vernehmen würde ... Das Aufsehen wäre ungeheuer.«
    Â»Wenn Albert dadurch freikommt, kompromittiere ich mich gern. Was gilt mir der sogenannte gute Ruf?« Daburon bewunderte gegen seinen Willen das Mädchen, das aus Liebe vor nichts zurückschreckte, mochte sie nun die Wahrheit sagen oder nicht. »Da fällt mir noch etwas ein!« rief sie. »Da ist der Schlüssel zum Gartenpförtchen, den ich über die Mauer geworfen habe. Albert hat ihn mir nicht zurückgegeben. Wenn man ihn bei ihm fände, wäre das nicht ein Beweis dafür, daß er im Garten gewesen ist?«
    Â»Ich werde danach suchen lassen.«
    Â»Und dann: Man müßte doch auch Spuren an der Gartenmauer finden«, sagte sie eifrig.
    Daburon lächelte, ein wenig belustigt. Dieses Mädchen dachte an alles.
    Â»Danach zu forschen, habe ich schon angeordnet, Mademoiselle. Einer der Briefe, die ich auf den Weg gebracht habe, enthielt den Befehl, eine – versteht sich – diskrete Recherche am Haus Ihrer Großmutter sofort anzustellen.«
    Claire streckte dem Richter die Hände entgegen. »Jetzt sehe ich es«, sagte sie dankbar, »Sie sind mein Freund, wollen mir helfen.«
    Â»Bitte, keinen voreiligen Dank«, sagte Daburon. Aber Claire achtete nicht auf seine Worte. Sie war mit ihren Gedanken ganz bei Albert und dabei, wie sie ihm helfen könnte.
    Â»Albert müßte doch noch meinen Brief

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