Der Fall Lerouge
ich behaupte, kann ich auch beweisen. Ich komme gerade von Monsieur Daburon, dem Untersuchungsrichter. Ich kenne ihn aus der Zeit, als er noch im Haus meiner GroÃmama verkehrte. Auch er war zuerst skeptisch, ja ablehnend. Auf Grund dessen, was ich ihm mitgeteilt habe, ist auch er jetzt von Alberts Unschuld überzeugt.«
»Und das hat er Ihnen gesagt?« Der Graf trat unwillkürlich einen Schritt näher an Claire heran. »Sind Sie da wirklich sicher? Oder ist nicht doch etwa der Wunsch der Vater Ihres Gedankens?«
»Auf keinen Fall, Monsieur. Ich habe ihm nämlich etwas mitgeteilt, was keiner, auch er nicht, wissen konnte. Denn Albert ist ein Kavalier, und er hat darüber geschwiegen. Und ich bin nun gekommen, um es Ihnen auch zu sagen: Albert war an dem Abend, an dem der Mord geschehen ist, mit mir in GroÃmamas Garten. Er hatte mich um ein Gespräch gebeten.«
»Und Monsieur Daburon hat Ihre Behauptung geglaubt?«
»Weil ich sie beweisen konnte. Inzwischen wird das Gericht sich überzeugt haben.«
»So ist es also wirklich wahr?« Der Graf, das konnte man aus seiner Stimme heraushören, war noch nicht ganz überzeugt.
»Sie sind wie Monsieur Daburon, der Richter, und halten Alberts Unschuld für ein Hirngespinst eines verliebten Mädchens. Sie sind sein Vater, aber Sie trauen ihm nicht. Monsieur, Sie haben Ihren Sohn nie gekannt, haben ihn im Stich gelassen, nicht den geringsten Versuch unternommen, ihn aus dem schrecklichen Gefängnis herauszuholen. Ich habe nie an seiner Unschuld gezweifelt.«
Da die Menschen gar zu gern glauben, was sie glauben möchten, war es nun nicht mehr schwierig, den Grafen zu überzeugen. Und er wollte gern glauben, daà ein Mitglied der Familie de Commarin oder jedenfalls jemand, der den Namen so lange getragen hatte, unmöglich in eine so gemeine Mordaffäre verwickelt sein konnte. Er nahm ohne Bedenken Claires Beteuerungen an. Vielleicht, dachte er, war nur die Unbeirrbarkeit dieses Richters schuld daran, daà ich an Alberts Unschuld gezweifelt habe.
Die Vorstellung, Albert habe mit dem Mord nichts zu tun, wirkte lindernd auf ihn wie himmlischer Balsam, und Claire kam ihm wie ein Bote Gottes vor. In den schweren Tagen, die hinter ihm lagen, war ihm auch bewuÃt geworden, daà er sein Herz doch an Albert gehängt hatte, trotz des unausrottbaren Verdachts, daà er womöglich nicht der Vater sei.
Und jetzt diese Wendung!
Die Familie würde vor der Schande bewahrt bleiben, es würde keinen öffentlichen Skandal geben, der Name Commarin wäre fleckenlos sauber!
»Wird man ihn denn auch sofort entlassen?« fragte er mit einem Eifer, der ihm bisher im Eintreten für seinen Sohn gänzlich abgegangen war.
»Monsieur Daburon hat mir erklärt, das sei nicht möglich. Er könne nicht allein darüber befinden. Nur aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, Sie um Hilfe zu bitten.«
»So sagen Sie mir doch, Mademoiselle, wie ich ihm helfen kann!« drängte der Graf.
»Wenn ich das wüÃte ... Als Frau weià man doch nicht, wie man einen Unschuldigen aus dem Gefängnis befreien kann. Sie haben EinfluÃ, Sie sind immerhin sein Vater ...«
»Was in meiner Macht steht, will ich tun. Wir dürfen keinen Augenblick verlieren!«
Die Lethargie des Monsieur de Commarin war wie weggewischt; seine Vorstellungen waren nicht mehr nur von der herannahenden Katastrophe beherrscht. Jede Resignation war zerstoben. Zum Vorschein kam seine tatkräftige Natur. Nun, da er Hoffnung für sich und sein Haus sah, kehrte die Tatkraft zurück.
»Kommen Sie, Mademoiselle. Wir machen uns gleich auf den Weg!« rief er. Doch dann verdüsterte sich seine Miene. »Aber wohin sollen wir gehen?« fragte er. »In der guten alten Zeit hätte ich den König aufgesucht, und er hätte mir geholfen. Aber dieser Kaiser? Er würde mir nur erklären, er könne der Entscheidung des Gerichts nicht vorgreifen.«
»Aber wir müssen etwas unternehmen.« Claire lieà nicht locker. »Sie kennen doch Richter, Generale, Minister. Stellen Sie mich ihnen vor. Für den Rest werde ich sorgen. Ich werde mit Engelszungen reden und Sie werden es sehen, wir werden Erfolg haben!«
»Meine Anerkennung, Claire«, sagte der Graf. »Eben gutes Blut. Entschuldigen Sie, Kindchen, das habe ich bisher nicht erkannt. Albert und Sie, ihr sollt heiraten dürfen, das
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