Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
keiner?« Das jedenfalls sagt seine Mutter Katja.
16 Uhr plus x: Ein Urlauberehepaar gibt zu Protokoll, dass ihnen an jenem 7. Mai auf einem Wanderweg nahe der Gaststätte »Mordlau« kurz nach 16 Uhr ein Mädchen mit einem Ranzen auf dem Rücken entgegengekommen sei. Wie eine Spukgestalt aus dem Nebel sei es plötzlich erschienen. Außerdem, so Paula und Ernst Reiter, hätten sie etwa hundert Meter von der Gaststätte entfernt einen roten Wagen mit schrägem Heck gesehen. Er habe dort gewendet. Bei einer späteren Befragung ergänzen die beiden, sie hätten ein helles Ornament auf der Rückseite des dunklen Anoraks des Mädchens gesehen. Das würde sich mit anderen Beobachtungen decken, ebenso der Verweis auf den roten Wagen, den ja auch die beiden Klassenkameraden von Peggy erwähnt haben. Wie aber wollen die Urlauber ein Ornament auf dem Rücken der Jacke gesehen haben, wo das Kind doch angeblich einen Ranzen trug? Und auch den Roller, von dem die beiden Buben gesprochen haben, erwähnen diese Zeugen nicht.
In einem Vermerk der Polizei vom 10. Mai 2001 heißt es dennoch, nach bisherigen Erkenntnissen sei davon auszugehen, dass es sich bei dem Mädchen, das am Montag gegen 16 Uhr in Richtung Mordlau gelaufen sei, »um die vermisste Peggy Knobloch handelte«.
19 Uhr: Pascal Gruner macht sich auf den Weg zu einer Übung der örtlichen DLRG. Peggy sei in diesem Moment an seiner Haustür vorbeigekommen. Er habe ihr Gesicht erkannt, daran gäbe es keinen Zweifel. Sie sei mit einer grau-roten Jacke bekleidet gewesen. Andere Zeugen haben ausgesagt, dass Peggy ein orangefarbenes Sweatshirt und eine schwarze TSV-Lichtenberg-Windjacke getragen habe. Möglicherweise hat Pascal die Farben aufgrund der diesigen Witterung an jenem Tag verfälscht wahrgenommen. Ferner gibt er am 8. Mai 2001 zu Protokoll: »Sie hatte ihren blau-silbernen Roller dabei, den sie trug bzw. schob.« Peggy sei links in den Carlsgrüner Weg Richtung Zeitelwaidt eingebogen, dann habe er sie aus den Augen verloren. Am Ende betont er noch einmal: »Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass es die Peggy war.« Seine Mutter bestätigt diese Aussage. In einem Aktenvermerk einen Monat später heißt es allerdings, Pascal sei sich nicht mehr so sicher, dass er tatsächlich das vermisste Mädchen gesehen hat.
19 Uhr plus/minus x: Franz Rausch kommt vom Fußballtraining heim. Er wohnt, wie Pascal Gruner, im Falkenweg und sagt ebenfalls aus, dass Peggy mit ihrem blau-silbernen Roller in Richtung Zeitelwaidt gefahren sei. Auch er erwähnt die grau-rote Jacke, genauer: »Oben um die Brust herum war die Jacke grau und unten war sie rot. […] Ich bin mir ganz sicher, dass es die Peggy war.« Franz kannte Peggy vom Donnerstagsturnen. Befreundet seien sie aber nicht gewesen. »Sie ist zu den meisten nicht so nett und auch nicht so Freunde suchend. Nett ist sie eigentlich nur zu ihren Freundinnen, der Miriam und der Manuela Eder. […] Von den anderen Kindern aus der dritten Klasse weiß ich nur, dass sie in der Schule nicht so gut ist. Manche sagen auch, dass sie deswegen von ihrem Vater geschlagen wird.«
In den vergangenen drei Wochen hätten er und sein Freund Pascal das Mädchen öfter mal in Richtung Zeitelwaidt fahren sehen. Die Mutter von Pascal wird ein Jahr später, am 18. Juni 2002, zu Protokoll geben: »Noch erwähnen möchte ich, dass ich die Peggy ein oder zwei Wochen vor ihrem Verschwinden im Falkenweg gesehen habe. Sie lief mit dem City-Roller hier rum. Es war immer in den Abendstunden, so gegen 19 Uhr. Ich kannte sie damals nicht und fragte meinen Sohn, wer das ist. Er antwortete mir, dass das die Peggy sei.« Ferner gibt sie an, sie traue ihrem Sohn einen guten Blick für Gesichter zu: »Er kennt die Leute. Er hat damals, am 8. Mai 2001, nachdem er davon erfahren hatte, dass die Peggy weg ist, spontan zu mir gesagt, dass er die Peggy doch am Tag vorher, abends, noch im Falkenweg gesehen hat. Ich glaube nicht, dass er sich das ausgedacht hat.«
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Die zeitnahe Befragung von Zeugen bringt den Ermittlern – trotz einiger Widersprüche – zunächst also folgendes Ergebnis: Absolut gesichert ist der Zeitraum vom Verlassen des Hauses am Morgen bis zum Ende der sechsten Stunde. Auch von 12.50 bis 13.25 Uhr gibt es mehrere Zeugen, die den Weg des Mädchens bis kurz vor dem Haus am Marktplatz 8 glaubhaft nachzeichnen können. Und schlussendlich, sieht man einmal von den Aussagen des Urlauberpaares ab, scheint Peggy bis 19 Uhr durch den Ort oder die
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