Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
unmittelbare Umgebung gestreift zu sein.
Aber schon bald erhalten die Beamten Hinweise, die auch über diesen Zeitraum hinausgehen und den Radius der weiteren Ermittlungen vergrößern werden.
Am Tag nach Peggys Verschwinden sucht Martin Müller gegen Abend seine Stammkneipe am Stadtrand von Lichtenberg auf. Aus den Gesprächen der anderen Gäste erfährt er, dass ein Mädchen aus dem Ort vermisst wird. Er kennt Peggy nicht, hat von ihrem Verschwinden auch noch nichts gehört. Seine Schreinerei liegt etwas abgelegen unterhalb des Burgbergs, direkt an einer großen Straße. Während er den anderen zuhört, erinnert er sich an eine merkwürdige Beobachtung. Am Nachmittag hatte er gegen 16.15 Uhr aus dem Fenster seiner Werkstatt heraus eine Frau mit einem Mädchen an der Hand durch die Wiese auf seine Schreinerei zulaufen sehen. Die Frau wirkte auf ihn etwas unschlüssig, so, als habe sie sich verlaufen und suche einen Ausgang vom Grundstück hinaus zur Straße. Der Zeuge beschreibt das Aussehen der Frau später als südländisch. Seine Beschreibung des Mädchens passt auf Peggy. Da Müller glaubwürdig versichert, von dem Fall bis dahin nichts gehört zu haben, und seine Aussage außerdem durch eine Nachbarin bestätigt wird, gilt diese Spur als vielversprechend. Am 10. Mai 2001 wird das Grundstück des Schreiners von einem Hundeführer der Polizei untersucht. Tatsächlich ist das Gras an einigen Stellen niedergetreten. Herr Müller und die Nachbarin geben an, die Spuren könnten keinesfalls von ihnen selbst stammen.
Am 10. Mai, drei Tage nach Peggys Verschwinden, bricht Dirk Wimmer aus Helmbrechts, einem Ort, gut zwanzig Kilometer von Lichtenberg entfernt, zu seinem täglichen Spaziergang auf. Er verlässt gegen 17.30 Uhr das Haus und läuft zunächst Richtung Taubaldsmühle durch hügeliges, überwiegend bewaldetes Gelände. Der Rundweg, der ihn über den Ortsteil Oberweißenbach und weiter über einen Flurbereinigungsweg zurück nach Hause führen wird, dauert etwa eine Stunde.
Er ist nicht mehr weit von daheim entfernt, als er etwas zurückversetzt vom Wegesrand etwas liegen sieht. Einen Körper. Ein Mädchen, reglos auf dem Rücken liegend, mit »puppenhaftem«, kindlichem Gesicht, die Haut »sehr blass«. Der 58-jährige Metzgereiverkäufer habe sich nicht näher herangetraut, er sei geschockt gewesen, »total fertig«, gibt er später zu Protokoll. Neben dem Mädchen habe er noch eine Tasche und Kleidung registriert, Blut habe er keines gesehen. Dann sei er kopflos nach Hause gerannt. »Die Peggy liegt dort«, habe er gerufen und weiter: »Ruf die Polizei an, ich kann es nicht.«
Seine Tochter wählt die Nummer der Polizeiinspektion Münchberg, er übernimmt den Hörer erst, als sich am anderen Ende jemand meldet. Das Gespräch dauert insgesamt nur zwei Minuten. »Vom Alter und von der Größe her könnte es das gesuchte Mädchen sein«, vermerkt der Beamte, der das Telefonat geführt hat.
Die Kripo reagiert schnell. Als Dirk Wimmer gegen 20 Uhr den vereinbarten Treffpunkt am Flurbereinigungsweg erreicht, erwarten ihn bereits der Einsatzleiter Ralf Behrendt sowie Beamte der Polizei Münchberg. Doch als die Gruppe am vermeintlichen Fundort eintrifft, ist nichts zu sehen. Kein Körper, keine Leiche, keine Tasche, keine Kleidung, nichts. Im Bereich des Fußwegs finden sich lediglich Fahrzeugspuren, jedoch »älterer Art«, denn »Grashalme stehen senkrecht und sind nicht abgebrochen und nicht beschädigt. Das Profil ist auch nicht scharfkantig im festen, aber feuchten Boden abgedrückt«, notieren die Beamten.
Dirk Wimmer beharrt dennoch auf seiner Beobachtung: »Meine Entdeckung entspricht auf alle Fälle der Wirklichkeit. Eine Einbildung ist völlig ausgeschlossen. Mir ist das jetzt natürlich sehr peinlich, Sie werden wahrscheinlich denken, ich will mich nur wichtig machen – aber es lag jemand da.« Um seine Aussage zu untermauern, verweist er auf eine Nachbarin, die ihm erzählt habe, sie sei am Vortag mit ihrem Hund den gleichen Weg entlanggelaufen. Mit Sicherheit, meint Wimmer, hätte der Hund angeschlagen, wenn da gestern schon jemand gelegen hätte. Da ihm die Nachbarin aber nichts dergleichen erzählt habe, müsse »die Leiche« erst heute dort hingeschafft worden sein.
Während mehrere Einheiten der Polizei das Waldstück abriegeln und durchkämmen, dauert die Befragung des Zeugen an.
Der wiederholt seine Aussage und präzisiert sie so: »Ich blickte direkt in ein Mädchengesicht« und »Das
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