Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
gesagt«, dass er mal wieder nach Lichtenberg wolle, nicht aber, »dass ich da mit dem Opel runterfahren will«.
Nun fragte der Beamte nach dem merkwürdigen Medaillon mit Peggys Foto, das Thorsten auch diesmal um den Hals trug.
Er antwortete, er habe es immer bei sich, »seit ich weiß, dass Peggy verschwunden ist. Sie ist so etwas wie eine kleine Schwester für mich.« Der Anhänger mit dem Bild sei ein »Erinnerungssymbol, bis sie wieder auftaucht«.
»Sind Sie jetzt nervös?«, erkundigte sich der Kommissar unvermittelt.
Thorsten: »Ja, ich bin das erste Mal hier in einem solchen Raum. Wenn Sie das bei mir zu Hause gemacht hätten, wär das ganz anders.«
Schließlich stellte Kommissar Holzer eine besonders heikle Frage, auf die er sich sorgfältig vorbereitet hatte. Er wollte wissen, was es mit dieser Tatjana auf sich hatte, von der Thorstens Ex-Freundin Jana gesprochen hatte. Holzer wusste bereits, um wen es sich handelte und dass das Mädchen erst acht Jahre alt war. Ob er wohl sagen könne, um wen es sich dabei handelt?
»Das ist meine Nichte«, antwortete Thorsten. »Es stimmt, dass ich mit ihr ein gutes Verhältnis habe.« Mehr sei aber nie vorgefallen, »da sollen mir lieber die Hände abfallen«.
Was blieb, war ein komisches Gefühl. Ihren Verdacht gegen Thorsten Engelhard konnten die Beamten nicht erhärten. Sie hatten haufenweise Indizien, aber keinen schlagenden Beweis und keine Leiche. Allerdings, und das könnte ein Fehler gewesen sein, suchten sie Peggy nur in und um Lichtenberg, nicht aber zwischen Halle und Leipzig. Und Thorsten Engelhard erwies sich als geschickt, wenn er im Verhör gefährliche Situationen zu umschiffen hatte. Soko-Ermittler Holzer notierte: »Er war nicht sehr redselig, man musste ihm alles aus der Nase ziehen.«
Danach ließ die Polizei Thorsten in Ruhe. Die Soko Peggy interessierte sich nicht mehr für ihn. Der Kripo in Sachsen-Anhalt fiel er in den nächsten Jahren ebenfalls nicht weiter auf. Thorsten lebte sein Leben, er hatte einen Job und mit Janine eine Freundin, mit der es mal besser, mal schlechter lief. Als Janine von ihm schwanger wurde, zogen die beiden zusammen und bekamen eine Tochter. 2010 kam das zweite Kind auf die Welt, wieder ein Mädchen.
*
Dass Thorsten dann doch wieder ins Visier der Ermittler rückte, ist einer Kette von Zufällen zu verdanken, die die Beamten des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt noch nach Monaten staunen ließ. Es begann damit, dass Thorsten Ende 2011 wieder einmal seinen Computer einschaltete und das Programm »E-Donkey« startete. Er war auf der Suche nach Kinderpornographie – Bilder und Videos. E-Donkey ist ein sogenanntes P2P-Programm. Es verbindet Gleichgesinnte im Internet miteinander. Jeder, der mitmachen will, gibt die Dateien eines Ordners auf seiner Festplatte für die anderen E-Donkey-Nutzer frei und kann dafür die Tauschverzeichnisse der anderen durchstöbern. Diese anderen sind durchweg anonym und sitzen überall auf der Welt. Mit Suchworten finden sie Dateien, auf die sie scharf sind. Thorsten tippte »pedo« in die Suchmaske, eine Chiffre für Pädophilie. Sekunden später baute sich eine Liste mit Treffern auf, die er per Mausklick auf seinen Computer laden konnte.
Doch ausgerechnet an diesem Tag starteten die ostdeutschen LKA-Ermittler eine sogenannte »anlassunabhängige Recherche« – sprich: Sie öffneten ebenfalls ihre E-Donkey-Programme und durchstöberten die Dateien, die andere User zum Herunterladen anboten. Ein Anbieter fiel ihnen besonders auf, weil an der IP-Nummer seines Rechners zu erkennen war, dass er irgendwo in Ostdeutschland stehen musste. Dass er tatsächlich nur ein paar Kilometer entfernt war, wussten die Ermittler da noch nicht. Die Bilder und Videos, die sie von diesem Rechner herunterluden, zeigten das Gesicht eines vielleicht zwei Jahre alten Mädchens, außerdem das erigierte Glied eines Mannes und ein paar weitere Körperteile. Es war eine eindeutige Missbrauchssituation. Im Hintergrund der Bilder war die Einrichtung einer Wohnung zu erkennen. Außerdem enthielten die Fotos sogenannte Exif-Dateien. Die werden automatisch von jeder Kamera in die Bilddateien eingefügt und enthalten Datum, Uhrzeit und Kameratyp. Damit wussten die Ermittler bereits eine Menge.
Schon bald hatten sie auch den Namen und die Adresse des Mannes in Erfahrung gebracht – mit Hilfe der IP-Nummer und des Telekom-Providers. Staatsanwaltschaft und Kripo besorgten sich einen Durchsuchungsbefehl. Eine
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