Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
meinte Engelhard eine selbstgezimmerte Holzhütte, in die er sich oft mit den anderen Jugendlichen seiner Clique zurückzog. Am 7. Mai sei er mit seinen beiden Freunden Tom und Jens dort gewesen. Gegen 18.30 Uhr sei er nach Hause gegangen. Am nächsten Tag habe er dann von seiner Mutter erfahren, dass Peggy verschwunden sei.
Ob er eine Idee habe, was mit dem Mädchen geschehen ist?
Thorsten hatte eine: »Meine starke Vermutung beruht auf dem Stiefvater, dem Ahmet.«
Warum er das glaube?
Thorsten antwortete, Peggy habe ihm gegenüber »derartige Äußerungen gemacht, dass der Türke sie nicht mag«. Für »den Türken« sei Peggy »irgendwie nur ein Mitesser« gewesen, »es war nicht seine leibliche Tochter«.
Damit war das Verhör zunächst beendet. Als die Beamten gingen, beschlagnahmten sie eine selbstgebrannte CD, die sie in Thorstens Zimmer gefunden hatten. Auf dieser CD fanden sie Kinderporno-Fotos und Bilder von Peggy, darunter auch das Bild, das Thorsten um den Hals trug.
*
Als Nächstes überprüften die Polizisten, ob Thorsten die Wahrheit gesagt hatte. Holzers Kollege Koller aus Halle fuhr zur Berufsschule und fragte nach, ob Thorsten tatsächlich am 7. Mai dort gewesen war. Die stellvertretende Rektorin holte das Klassenbuch hervor und sah nach. Das Resultat: Thorsten hatte geschwänzt, und zwar nicht nur am 7. Mai, sondern auch die ganze Woche davor und die Tage danach.
Sein Alibi für den Nachmittag erwies sich ebenfalls als falsch. Thorstens Freund Tom sagte, er sei am 7. Mai nicht im Klubhaus gewesen, weshalb Thorsten ihn dort nicht getroffen haben konnte. Jens erklärte, er sei zwar dort gewesen, nicht jedoch Thorsten. »Wir waren an diesem Tag nur zu dritt oder viert, weshalb ich mich genau daran erinnern kann, dass Thorsten nicht da war.«
Erst am 8. Mai hätten sich die drei wieder im Klubhaus getroffen, einen Tag nach Peggys Verschwinden. »Thorsten kam vollkommen aufgelöst zu uns an den Lagerplatz«, sagte Jens im Polizeiverhör. »Dieses Verhalten war im absoluten Gegensatz zu seinem sonstigen Verhalten.« Er habe dann erzählt, dass Peggy verschwunden sei und dass er sie »sehr gern habe, so als sei sie seine Schwester«. Thorsten habe auch vom »Türken« erzählt, dem Stiefvater, der Peggy immer schlage. Sollte er herausfinden, dass »der Türke« mit ihrem Verschwinden zu tun habe, werde er mit dem grauen Opel nach Lichtenberg fahren und ihn zusammenschlagen. Dann fragte er »uns, ob wir ihm Kennzeichen für den Opel besorgen können«. Dazu habe sich aber jedenfalls spontan keiner in der Lage gesehen. »Thorsten fragte auch in die Runde, wer denn mitkommt nach Lichtenberg, um den Türken zusammenzuschlagen.« Nur einer habe sich gemeldet – Frank Haller, ein 17-Jähriger, der wegen Drogenbesitzes und zahlreicher kleinkrimineller Delikte polizeibekannt war. Der Frank habe dann auch gleich dazugesagt, »dass man mit falschen Kennzeichen auch tanken könne und ohne Bezahlen abhauen«.
Die Ermittler erfuhren aber noch mehr – nämlich dass Thorsten schon vor Peggys Verschwinden eine illegale Spritztour nach Lichtenberg geplant hatte. Thorsten habe ihm »noch vor dem Bekanntwerden des Vermisstenfalles« angekündigt, »dass er mit dem Opel einmal nach Lichtenberg zu der Peggy fahren will«, sagte sein Kumpel Sven Ostendorf laut Ermittlungsakte. »Das habe ich aus seinem Munde gehört. Das hat er einmal im Klubhaus erzählt, da waren viele dabei.« Thorsten habe seiner Clique auch erzählt, dass er häufig mit Peggy telefoniere und sie wie eine Schwester für ihn sei. Und schließlich: Um den 7. Mai herum wurde Thorsten tatsächlich beim Autofahren beobachtet, sagte ein weiterer Zeuge namens Mark Raschke der Polizei. Sie seien zu dritt gewesen – Thorsten am Steuer, sein Kumpel Frank auf dem Beifahrersitz und ein Dritter auf der Rückbank. An dem Opel seien gestohlene Kennzeichen angebracht gewesen. Die drei seien vom Hof der Engelhards auf die Umgehungsstraße und dann durch den Nachbarort gefahren. Das deckt sich mit der Aussage von Thorstens Ex-Freundin Jana Thiele. »Thorsten hat mir erzählt, dass er mit Autos ohne Führerschein rumgefahren ist«, plauderte das Mädchen aus. »Er hat auch schon Autos geknackt.« Und: Die Peggy, das sei seine »Süßeste und Liebste« gewesen.
Der Verdacht gegen Thorsten Engelhard erhärtete sich. Er hatte ein falsches Alibi angegeben und offensichtlich gelogen, als er bestritt, ohne Führerschein Auto gefahren zu sein. Jetzt machten sich die
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