Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
Beamten daran, ein Motiv zu finden; sie vermuteten es in Thorstens sexuellen Neigungen. Also fragten sie Thorstens Freunde nach dessen Beziehungen zu Mädchen. Sie hatten Glück: Sein Kumpel Mark erzählte den Beamten von der Affäre mit der elfjährigen Mandy. Und Jana Thiele sagte aus, Thorsten habe gern mit ihren kleinen Geschwistern gespielt, »insbesondere mit der vierjährigen Janine, aber nicht in anrüchiger Weise«. Außerdem gebe es da eine gewisse Tatjana, »so eine kleine Blonde. Sie ist wesentlich jünger und geht in die zweite Klasse.« Ob er sie »angefasst« habe, wisse sie nicht, glaube es aber »eher nicht«. Ende April 2001, kurz vor Peggys Verschwinden und nach dem Ende der Beziehung zu Jana, habe Thorsten fast schon verzweifelt versucht, sexuelle Kontakte zu knüpfen. Ein Mädchen erinnerte sich: »Er hat mich angesprochen, und ich habe ihm einen Korb gegeben. Das war so circa zwei bis drei Wochen vor Peggys Verschwinden.« Seine Freunde bestätigten, dass er im Klubhaus mehrmals betrunken zwölf- bis dreizehnjährige Mädchen »anmachte«, allerdings ohne Erfolg.
Die Polizisten erfuhren auch, dass sich Thorsten nach Peggys Verschwinden auffällig anders benahm als vorher. »Thorsten ist in den letzten beiden Wochen ein richtiges Großmaul geworden«, sagte sein Freund Mark Raschke den Beamten. Und dessen Bruder Tom ergänzte: »Thorsten hat sich von unserer Gruppe etwas abgesondert.« Er hänge jetzt viel mit Frank Haller zusammen: »Der Frank ist nach meiner Meinung ein Gauner.« Nach Peggys Verschwinden hätten Thorsten und Frank ein komplettes Wochenende »von Freitag bis Sonntag durchgesoffen«, so Mark Raschke.
*
Damit hatten die Ermittler einiges zusammenbekommen. Das falsche Alibi, der geplante Ausflug im Opel nach Lichtenberg, die Frustration über das Ende seiner Beziehung, Thorstens drängende Suche nach einer sexuellen Affäre, dazu die Unwahrheiten, die er den Beamten aufgetischt hatte. Aber noch etwas passte frappierend: Peggys Verhalten hatte sich seit dem Sommer 2000 merklich verändert. Sie war nervös, unkonzentriert, aß schlecht und wurde seit Ostern 2001 mit Psychopharmaka behandelt. Mag sein, dass all das mit Thorsten nichts zu tun hatte, merkwürdig wirkt es aber doch.
Die Polizisten bereiteten das nächste Verhör mit Thorsten Engelhard vor. Diesmal besuchten sie ihn nicht zu Hause, sondern bestellten ihn ins Dienstgebäude der Kripo Halle, und zwar am 30. Mai 2001 um 14 Uhr. Thorsten erschien pünktlich und saß wenig später im Verhörzimmer, ihm gegenüber der bayerische Soko-Ermittler Holzer. Der Beamte verwies Thorsten »eingehend auf sein Aussageverweigerungsrecht«, falls er sich mit einer Antwort selbst belaste.
Dann legte er los: Engelhard habe im ersten Verhör vor zwei Tagen an mehreren Stellen nicht die Wahrheit gesagt. Der gab sich unwissend und fragte, »wo das denn beispielsweise der Fall gewesen sei«.
Der Kommissar erwiderte: »Sie waren am 7. Mai 2001 nicht in der Schule.«
Thorsten dachte kurz nach und erklärte dann: »Ich musste ja lügen, weil ich in Gegenwart meiner Mutter nicht die Wahrheit sagen wollte.« Tatsächlich gehe er schon seit Wochen nicht mehr in die Schule. Die Eltern wüssten davon aber nichts. Morgens verlasse er immer pünktlich das Haus. Dann ergänzte er unaufgefordert, dass er mit dem Verschwinden von Peggy nichts zu tun habe. »Ich war an diesem Tag nicht in Lichtenberg, sondern ich habe mich sicher, wie gewöhnlich, in Halle aufgehalten.«
Mit wem, hakte der Beamte nach.
Thorsten nannte die Namen zweier Kameraden. Mit denen sei er am Morgen nach Halle gefahren und am Mittag wieder zurück. Wieder eine Lüge, wie die Kripo schnell herausfand. Beide bestritten, Thorsten am 7. Mai gesehen zu haben.
Die Beamten wollten wissen, warum Thorsten beim ersten Polizeiverhör ausgesagt hatte, er habe nie mit Peggy telefoniert – während er seiner Clique offenbar das Gegenteil erzählte.
Thorsten dachte kurz nach und erklärte dann: Er habe ab und zu den Maik angerufen, und wenn Peggy bei den Kaisers war, sei sie auch mal an den Apparat gekommen. Insofern stimme es also, dass er mit ihr telefoniert habe.
Dann der nächste Vorhalt: »Sie sollen im April in Ihrer Clique davon gesprochen haben, dass Sie mal wieder nach Lichtenberg zu der kleinen Peggy wollen – wenn’s sein muss, auch mit dem silberfarbenen Pkw, der bei Ihnen im Hof steht.«
Darauf Thorsten: »Ja, ich kann mich daran erinnern.« Er habe aber nur »allgemein
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