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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hausen
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hätte auspeitschen lassen. Aber dann wäre er nicht er selbst gewesen, nicht der Idealist, der glaubte, dass am Ende die Idee siegen müsse.
    Die wunderbare Vorstellung von der Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen. Dazu gehörte natürlich auch die Humanisierung des Strafvollzuges, insbesondere die Abschaffung der Folter, oder wie man in Dänemark sagte: der scharfen Examination. In einer "Resolution" vom 23. November 1771 hieß es: "Die peinliche und scharfe Examination soll gänzlich aufhören und darf unter keinem Namen angewandt werden; die Überführung eines Delinquenten muss bloß durch die Zeugen und die Wahrscheinlichkeit der Umstände geschehen, und wenn er nicht völlig überführet, noch zum Geständnis gebracht werden kann, so muss eine gelindere Strafe stattfinden, und lieber soll ein Schuldiger freikommen, als die Möglichkeit existieren, eine n Unschuldigen zu martern, welches der Freiheit und den Rechten der Menschlichkeit so sehr widerstrebt .“
    Struensee schlug die Hände vors Gesicht, die schweren Ketten an den Handgelenken rasselten. Wie konnte es sein, dass er als freiheitsliebender Mensch in diese Lage geraten war? Warum hatten ihn nicht mehr Leute unterstützt? Er hatte doch nur aus Menschlichkeit gehandelt, nicht um sich zu bereichern oder anderen zu schaden.

14. Pastor Münter
    D er Gefängniskommandant fragte Struensee, ob er nicht mit einem Pastor sprechen wolle. Der Gefangene lehnte entschieden ab. Dennoch bestimmte man, dem todgeweihten Freigeist wider Willen den Hauptpastor Münter zu schicken, angeblich um ihm in seinen letzten Tagen und Stunden Beistand zu leisten. Es begannen wochenlange Zwangsgespräche, die für Struensee eher eine Qual als ein humaner Akt waren. Obwohl der Gefangene wegen des streng abgeschirmten Geheimprozesses nicht in der Lage war, in einer öffentlichen Verhandlung Rede und Antwort zu stehen, befürchteten seine Gegner dennoch, dass er in den Geruch eines Märtyrers kommen und vielleicht auf dem Blutgerüst den Eindruck erwecken könnte, er würde nur wegen seiner Gesinnung hingerichtet.
    Um dies zu verhindern, wurde Münter beauftragt, den verhassten und gefürchteten Gegner unter allen Umständen von einer solchen Haltung abzubringen. Münter hatte oft von der Kanzel gegen Struensee gewettert. Dieser hatte seine alte Idee, das Los der unehelichen Kinder zu erleichtern, wieder aufgegriffen und ein Findelhaus gegründet, an dem ein Kasten angebracht war, in den unverheiratete Mütter das Kind, für das sie nicht sorgen wollten oder konnten, ungesehen niederlegen konnten. Es sollte dann auf Kosten des Staats erzogen werden. Münter geißelte diese Einrichtung als ein vom Staat ausgestellter Freibrief auf ein liederliches Leben voll geschlechtlicher Ausschweifungen. Auch andere Geistliche verdammten diese Einrichtung in Grund und Boden.
    I m einfachen Volk galt die Ansicht, dass ein Mädchen, das einen Fehltritt begangen hatte, diffamiert und beschimpft dastehen müsste als ein schlechter Charakter. Kaum hatte sich der Skandal wegen des Findelhauses einigermaßen gelegt, kam ein neuer Erlass heraus, der die Kapelle des Siechenhauses in Soelleroed zu einem Hospital für Geschlechtskranke bestimmte. Damit stieß er die Kopenhagener vollständig vor den Kopf. Dass man sich überhaupt um diese Elenden kümmerte, hieß ja, ihnen den gerechten Lohn für ihre Sünden vorzuenthalten. Der Bau war zwar vernachlässigt und zum Aufbewahren von Kartoffeln benutzt worden, dennoch ereiferten sich Geistlichkeit und fromme Leute über diese Entweihung.
    Eines Morgens, in aller Frühe, Struensee lag noch auf seiner Pritsche, wurde die Tür der Zelle aufgeschlossen und herein trat ein korpulenter Mann mit einem dünnen Kranz grauen Haares um seinen sonst kahlen Schädel. Er hatte tief liegende Augen und hervorspringende Backenknochen, trug ein weites schwarzes Gewand und eine schmale weiße Krause um den Hals. Struensee starrte ihn finster an. „Ich bin Pastor Münter von der Peterskirche. Ich glaube, wir sind uns noch nicht persönlich begegnet. Ich halte es für meine christliche Pflicht, Sie zu besuchen.“
    „Ich habe Sie nicht gerufen“, sagte Struensee unfreundlich. Dennoch setzte sich Münter unaufgefordert auf den Schemel. „Ich glaube, dass Sie Beistand brauchen. Und auch wenn Sie mich nicht mögen, werde ich meine Pflicht nicht vernachlässigen.“ Struensee stöhnte: „Ausgerechnet Sie, der Sie kein gutes Haar an mir gelassen haben. Meinen Sie, ich

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