Der Fall von Katara
über Generationen hinweg. Sie sind wie Zirkuskinder ständig auf Reisen. Selten wird das Raumschiff einmal verlassen. Sie werden auf ihren Raumschiffen geboren, und sterben auf ihren Raumschiffen. Es mangelt ihnen an nichts. Sie bauen Obst und Gemüse an, drehen Naturfilme und feiern auch manchmal Partys bis in die frühen Morgenstunden, wenn sie noch jung sind, versteht sich. Ja, und es gibt auch einen Morgen und einen Abend. Der Tag wird simuliert, damit man nicht verrückt wird. Das ist doch irre, oder?“, schwärmte Zardosch.
„Also nach deiner massiven Begeisterung zu urteilen, scheint es dir im Weltall gut gefallen zu haben.“
„Ja, ja, es war nicht ganz so schlecht. Ich habe aber nach fünfhundert Jahren den Dienst quittiert, weil ich Heimweh nach Tenemos hatte. Ich wollte nicht so enden wie mein Kommodore, der schon fünftausend Jahre im All unterwegs war und die ganze Zeit nur Sterne gesehen hat. Du kannst dir sicher denken, dass man das Raumschiff nicht so oft verlässt wegen der langen Akklimatisierungsphasen, weil jeder Planet eine andere Schwerkraft hat. Naja, auf jeden Fall kam mir die Zeit im Weltall immer sehr lange vor, viel länger als sie wirklich ist.“
„Hast du auch Kinder?“, fragte Erek.
„Ja, ich hatte Kinder, aber sie leben schon lange nicht mehr. Es gibt etliche Nachfahren von mir in Nigidu und im Malakka-Gebirge, jedoch habe ich keinen Kontakt mehr zu ihnen. Wir haben uns auseinandergelebt, weil ich zu lange weg war. Nein, ich führe ein Single-Dasein und schlage mich als Spion durch den Tag, wenn ich nicht in einem Kommandosessel im militärischen Abschirmdienst sitze und in den Bildschirm hineinschaue. Ich bin dort Hausmeier, musst du wissen. Das ist so eine Art ehrenamtlicher Mitarbeiter. Wie du siehst, bin ich auch viel zu sehr beschäftigt, um noch einmal eine Familie zu gründen. Ich habe das alles schon hinter mir und sehne mich eher nach einem Abenteuer. Und du?“
„Ich würde gerne die Erfahrung machen, wie es im Weltall ist. Ich stelle mir das sehr spannend vor“, meinte Erek.
„Oh, spannend ist es, weil du jeden Tag um dein Leben fürchten musst wie vor Gericht oder auf hoher See.“
„Welche Raumschiffe fliegen noch dort oben herum?“, wollte Erek wissen.
„Jede Menge, mein Freund. Man muss aufpassen, dass man nicht zusammenstößt. Es gibt Beobachtungsschiffe, Fernkampfschiffe, Sicherheitsschiffe, Nahkampfschiffe, Erkundungsschiffe, Lotsenschiffe, Evakuierungsschiffe, Nachrichtenschiffe, Kontrollschiffe, Ausbildungsschiffe, Drohnenschiffe, Zuchtschiffe, Erholungsschiffe, Fährschiffe, Sattelschiffe, Containerschiffe, Sekundarschiffe, Umsiedlungsschiffe…“
„Umsiedlungsschiffe?“, unterbrach Erek ihn.
„Jaja! Umsiedlungsschiffe sind mittlerweile das Natürlichste der Welt geworden. Oder wie hast du dir das gedacht, wie ihr damals auf Tenemos gekommen seid? Es geschah genau auf diese Weise, und nicht anders. Die Situation erklärt sich folgendermaßen: Kaum ist ein Planet oder ein Mond irgendwo in der Nähe des Inneren Zirkels von Orion bewohnbar geworden, strömen sofort die ersten Siedler dorthin, in der Hoffnung, die meisten Pfründe für sich abgreifen zu können. Und dabei geht es nicht darum, welche Zivilisation sich am nächsten zu diesem Himmelskörper befindet, sondern nur darum, wer zuerst sein Fähnchen in diese junge Erde gesteckt hat. Mit diesen Leuten möchte ich nichts zu tun haben. Sie nennen sich interstellare Siedler. Pah! Das klingt so harmlos. Man sollte sie eher als interstellare Plage oder als Geißel des Universums bezeichnen. Das würde es besser treffen“, ärgerte sich Zardosch.
„Von welchen Leuten sprichst du?“
„Militär- und Siedlungsexperten, Geo-Engineering-Strategen, Geo-Performancekünstler, Euromissionare, Anti-Materiologen, Verklappungsspezialisten, Katasterkommissare, Atomwaffentester etc. Das All ist leider auch voller Gesindel. Das liegt daran, dass es ein rechtsfreier Raum ist. Du glaubst nicht, wie viele unangenehme Begegnungen ich persönlich schon hatte. Und wenn ich nur die Hälfte der Geschichten, die man mir alle erzählt hat, Glauben schenken darf, dann wage ich zu behaupten, dass dreißig Prozent der Raumfahrer anständige Leute sind, mit denen es sich durchaus lohnt, Geschäfte zu machen. Sechzig Prozent der Raumfahrer hingegen sind kalte, entwurzelte Menschen, denen ich keinen Meter weit trauen würde.“
„Und die restlichen zehn Prozent?“
„Den restlichen zehn Prozent möchte ich
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