Der Fall von Katara
Alonis töten soll? Nach allem, was du mir über sie erzählt hast?“, fragte Erek entsetzt.
„Ich verlange nichts. Ich bin ein Computersystem. Ich analysiere nur die Fakten. Ich ermittle optimale Lösungen für anstehende Probleme. Ich mache nur ergebnisorientierte Vorschläge für meine Oberflächenbenutzer. Jedoch wie lange noch? Wie viel Zeit bleibt mir noch? Wie lange werde ich hier noch herumstehen, wenn Katara die gesamte Kontrolle über Tenemos bekommen hat? Nach meiner Einschätzung nicht mehr lange. Deswegen habe ich gewisse Prinzipien nochmal überdacht und bin trotz meiner pazifistischen Programmierung zu der Überzeugung gelangt, dass in bestimmten Ausnahmesituationen Gewalt seine Rechtfertigung hat, wenn damit der Fortbestand einer ganzen Zivilisation gerettet werden könnte. Naja, fühle dich nicht angesprochen! Ich wollte nur ein bisschen mit dir plaudern. Ich hoffe auf jeden Fall für dich, dass du das Richtige machst, wenn der Zeitpunkt dafür gekommen ist. Doch wann dieser Zeitpunkt sein wird, weiß nicht einmal ich“, sagte MUTTER geheimnisvoll.
Die Worte hallten in Ereks Kopf wieder. Er hatte jetzt verstanden, worum es ging und was MUTTER ihm sagen wollte. War Erek all die Jahre so blind gewesen und hatte nicht erkannt, was um ihn herum passierte? Wie konnte ihm das entgangen sein? Hatte ihn der Schmerz seines Lebens betäubt oder war er nur ein Opfer seiner selbst wie jeder andere Mensch auch? Erek versuchte, sich zu besinnen. Frau Alonis, seine leibliche Mutter, trachtete nach seinem Leben. Das war eine äußerst bizarre Situation, die es zu verdauen galt. Erek wollte noch eine wichtige Sache fragen, bevor er wieder gehen musste. „Mein leiblicher Vater soll also Don Kobayaschy gewesen sein? Was weißt du alles über ihn?“
„Leider viel zu wenig, weil Don Kobayaschy ein Daten-Asket aus ganz alter Schule war. Es gibt kein Überwachungsfoto, keine Unterschrift, keine Tonbandaufzeichnung, keinen Fingerabdruck und nicht einmal eine einzige genetische Hinterlassenschaft von ihm, sodass er faktisch nie existierte. Er hatte Hunderte von Namen. Don Kobayaschy war nur sein letzter Künstlername. Seine Eltern sind ebenfalls nicht bekannt. Es mussten wohl Yakkis gewesen sein, die ihn entweder ausgesetzt, verloren oder verschachert hatten. Nach seinen eigenen Angaben wurde er tief im Malakka-Gebirge von Nacktaffen großgezogen, die ihm die menschliche Sprache und sonst noch alle Tricks des Alltagsdschungels beigebracht haben. Mit zehn Tenemos-Jahren zog er dann aus der Wildnis in die Zivilisation, genauer gesagt nach Moloschkok. Das ist eine Stadt, die weit im Osten liegt. Sie ist berühmt für ihren Schmelzkäse mit Biokulturen und ihren malakkischen Charme. Als Don Kobayaschy dort auftauchte, trug er sich bei der Wiedereingliederungsbehörde unter dem Namen Haram Derwisch ein. Als Junge verkaufte er selbst gemischte Enthaarungscreme und Haarwachstumsunterdrückungspräparate, deren Rezeptur nur er kannte. Die staatliche Schulpflicht hat er geschickt umgangen, indem er über das Internet einen Schnellkurs in Friseurwesen mit Bravour absolviert hatte und dadurch automatisch ein Oberschulreifezeugnis ausgestellt bekam, weil die Ausbildung zum Friseur einen überdurchschnittlich hohen Intelligenzquotienten erfordert aufgrund der tiefenpsychologischen Wirkung jeder Frisur. Auf jeden Fall eröffnete Don Kobayaschy zu einem späteren Zeitpunkt unter dem Namen Dutt van Rätzel einen Rasiersalon, wodurch er Kontakte zu allen möglichen höhergestellten Persönlichkeiten bekam, die sich bei ihm einer Ganzkörperrasur mit professioneller Hautschuppenentfernung unterzogen. Meistens waren seine Kunden aus der kriminellen Oberschicht und darauf erpicht, so wenig DNA wie möglich an ihre Umwelt abzugeben, und dabei ging es ihnen weniger um Umweltverschmutzung, sondern vielmehr um persönliche Verschleierung. Wie dem auch sei. Durch die Kontakte seines Rasiersalons geriet Dutt van Rätzel auf die schiefe Bahn und schlitterte immer tiefer in die dunkelsten Kreise verschwörerischer Subkulturen hinein. Ich weiß sicher, dass er eines Tages Bekanntschaft mit der dunklen Seite des Lebens gemacht und sich verbotenen Geheimorganisationen angeschlossen hat, deren Großmeister er jeweils wurde. Danach hat er wahrscheinlich noch weitere Geheimorganisationen gegründet, die sich jedoch meiner Kenntnis entziehen. Es gibt unzählige Geschichten über Don Kobayaschy. Es gibt aber noch viel mehr Gerüchte über ihn, wie zum
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