Der Fall von Katara
leiser sprechen! Die Tarnfunktion ist aus“, ermahnte Zardosch ihn. Erek verstummte augenblicklich, weil ihm sowieso nicht mehr nach Reden zumute war. Und so flogen sie schweigend ins Ungewisse.
Kapitel 5: Die Schwarze Dame
Wie ein blutrünstiger Stymphalide schwebte ein großer Schatten durch die gottverlassenen Straßen von Ur-Gnomopolis. Höhlenmeisen, Plastikmarder und Lakenkacker flohen in alle Richtungen, als sie das fliegende Ungeheuer erblickten. Die Kernreaktorantriebsdüsen der Tarnkappenbomberjacke gaben ein leises, zischelndes Geräusch von sich. Geschickt wie eine Fledermaus flog Frau Alonis durch die Höhlenstraßen und leuchtete mit ihrer starken Stirnlampe alle Ecken aus. Obendrein waren auf der Vorrichtung ihres Kopfes ein Echolot und mehrere Sensoren verteilt, die Sprengstoffe, Wärmequellen und auch Pissspuren ängstlicher Filzmäuse ausfindig machen konnten. Überdies hatte sie yakkische Spezialkontaktlinsen angelegt, die eine Karte vom Höhlensystem in ihre Sicht hineinprojizierten.
Frau Alonis witterte hinter jeder Biegung Gefahr, weswegen ihr Waffenarsenal, das sie auf der Brust und am Gürtel trug, scharfgestellt war, damit sie blitzschnell reagieren konnte. Sie hatte zwölf Höllenfeuerraketen an der Seite ihres Rumpfes befestigt, wovon jede eine Sprengkraft von einer halben Tonne TNT bereitstellte. Auf ihrem Brustbein war ein Bataillon an Giftpfeilen mit Tele-Funktion angebracht. Es konnte sechzig Schuss in der Minute abgeben. Die Pfeile waren in beweglichen Führungen eingebaut, die sich immer danach ausrichteten, wohin man blickte. Man musste also die Kunst des Sehens beherrschen, wenn man etwas treffen wollte. Zusätzlich hatte Frau Alonis mehrere fliegende Helfer. Sie hatte zwei kleine Späher-Drohnen aktiviert, die wie aufs Haar gewöhnlichen Stubenfliegen glichen und immer einige Meter vor ihr schwebten. Die Späher-Drohnen halfen ihr visuell, indem sie alles, was sie sahen, ohne Zeitverzug in die Statusanzeige der Spezialkontaktlinsen übertrugen.
Die Tarnkappenbomberjacke, in der Frau Alonis steckte, konnte Geschwindigkeiten von über dreihundert Stundenkilometer verwirklichen. Die Beine waren mit Flügelprotektoren versehen, damit keine aerodynamischen Einbußen entstanden, wie es bei den Vorläufermodellen der Fall war, bei denen die Füße immer herunterbaumelten. Auf dem Rücken hatte Frau Alonis ihre Saumagentasche festgezurrt, worin sich bekanntlich ihre wichtigsten Utensilien befanden. Der Anzug war so austariert, dass er ideale Flugeigenschaften bot und dem Träger auch am Boden eine gute Flexibilität verlieh, sodass das katarische Militär eine extra Einheit gegründet hatte, die das Missing Link der Kriegsführung kompensieren sollte. Die Duale-Kampftruppe beziehungsweise die Luftinfanterie, die das Bindeglied zwischen Luftwaffe und Infanterie darstellte, war die Trumpfkarte im lauwarmen Krieg, der bald immer heißer werden sollte.
Die Hände von Frau Alonis steckten in einer Halterung, in der sie mit ihren Fingern etwas Spielraum hatte. Sobald sie eine Faust machte, erhöhte sich die Schubkraft der Düsen, die einen sehr starken Luftstrahl auf die Unterseite der Flügel bliesen. All das wurde möglich gemacht, weil jeder Düsenantrieb mit einem Mini-Kernreaktor betrieben wurde, der ein Gemisch aus radioaktivem Thorium (Th) und bestimmten Kohlenstoffisotopen (C) verwendete. Die wissenschaftliche Bezeichnung dieser neuartigen Antriebstechnologie hieß ThC-Gamma-12-Protonen-Zerfallsgenerator-Einspritztechnik, war aber auch in Militärkreisen unter dem Kürzel THESA, also ThC-Einweg-Spritzen-Antrieb bekannt.
Es war der gefährlichste Antrieb, der jemals verbaut worden war, hatte jedoch enorme Vorteile, da er ergiebig, sparsam und effizient war. Mit nur einem Gramm ThC konnte man Tausende Kilometer weit fliegen, ohne nachfüllen zu müssen. Dummerweise entstanden dabei plutoniumhaltige Abfallprodukte, die sich unter normalen Umständen erst nach fünfhunderttausend Sirius-Jahren vollständig zersetzt hätten. Aber man hatte einen Weg herausgefunden, diesen Zersetzungsvorgang zu beschleunigen. So musste man lediglich das Plutonium in viereckige Einweckgläser füllen, diese Gläser in Porzellanfässer, die mit Styxoporkugeln, Baumharz und Graphit gefüllt waren, stapeln, und die Fässer wiederum in noch größere Metallkisten einordnen, die in einem deklarierten Frachtcontainer endeten. Die Frachtcontainer wurden gesammelt und immer im Dutzend auf solide
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