Der Fall
bitte auf zu denken, Sie müssten an einer Liane angeschwungen kommen, um mich aus den Händen der Bösen zu befreien.«
»Sara, nur um eines klarzustellen: Ich habe Sie noch nie für ein naives Dummchen gehalten.«
Von dem Kompliment überrascht, brauchte Sara einen Moment, um zu antworten. »Was soll das nun wieder heißen?«
»Es soll gar nichts heißen. Es ist lediglich, wie ich Sie einschätze.«
»Dann behandeln Sie mich auch nicht wie eine blutige Anfängerin! Inzwischen weiß ich nämlich, was ich in diesem Fall zu tun habe.«
»Weshalb Sie auch nicht darauf angewiesen waren, dass ich vorhin für Sie eingesprungen bin? Weil Sie selbst alles so gut im Griff haben?«
Sara musste grinsen. »Jetzt vermiesen Sie mir meine leidenschaftlichen Argumente nicht mit irgendeinem lahmen Formfehler. Ich weiß natürlich, dass Sie für mich einspringen mussten. Ich wollte nur –«
»Ach, jetzt verstehe ich. Jared ist Ihr Mann, und deshalb sind Sie die einzige, die auf ihm herumhacken darf. Aber könnten wir jetzt vielleicht gehen? Sie haben sich noch auf einen Prozess vorzubereiten.«
»Aber klar doch – wir können es ja alle kaum erwarten, dass endlich der Prozess beginnt«, sagte Guff, als sie den Gerichtssaal verließen. »Aber jetzt erzählen Sie uns von der Obduktion. Haben Sie sich von oben bis unten vollgekotzt, oder konnten Sie Ihr Frühstück bei sich behalten?«
Da Sara sah, dass Jared und Kozlow noch auf dem Gang herumstanden, sagte sie: »Nicht hier. Warten Sie, bis wir wieder in meinem Büro sind.«
Zurück in der Centre Street 80, war Sara die nächsten fünfundvierzig Minuten damit beschäftigt, Guff und Moore von den Ergebnissen der Obduktion zu berichten. Sie erzählte ihnen von der Flüssigkeit in Arnold Donigers Augen, und dass sein Magen keine Nahrung enthalten hatte. Sie erklärte ihnen, dass er entweder von einer anderen Person mit einer Injektion getötet worden sein könnte oder sich die Injektion versehentlich selbst gegeben haben könnte. Stets bemüht, ihre Kollegen bei der Urteilsfindung weder in der einen noch in der anderen Richtung zu beeinflussen, erläuterte ihnen Sara langsam und systematisch sämtliche Einzelheiten. Falls sie zu der Auffassung gelangen sollten, es sei ein Mord gewesen, sollten sie diesen Schluss selbst ziehen.
Als sie mit ihren Ausführungen geendet hatte, fragte Moore: »Sein Magen war also vollkommen leer?«
Sara nickte.
»Dann kann sie ihm nichts zu essen gegeben haben«, fuhr Moore fort. »Selbst wenn es für alles andere eine logische Erklärung gäbe, hat uns Claire Doniger in diesem Punkt belogen.«
»Das ist der Punkt, der auch für mich den Ausschlag gegeben hat«, erklärte Sara. »Diese Tatsache lässt sich einfach nicht leugnen.«
»Und falls es wirklich ein Mord war, würde das auch erklären, warum bei dem Einbruch fast nichts entwendet wurde«, sagte Guff.
»Es fügt sich alles ineinander«, sagte Sara. »Bis ins kleinste Detail.« Und mit einem Blick auf Moore fügte sie hinzu: »Also mal ganz ehrlich: Was glauben Sie?«
Moore sagte zunächst nichts, bevor er schließlich antwortete: »Sieht ganz so aus, als könnten Sie aus der Sache einen Mordfall machen. Nicht schlecht.«
»Tatsächlich?« Sara, die ihre Begeisterung nicht verbergen konnte, strahlte vor Freude. Zum ersten Mal, seit Pop ins Krankenhaus gekommen war, sah sie eine Möglichkeit, Jared zu retten.
»Was Claire Doniger und Kozlow angeht«, sagte Moore, »sind in dieser kurzen Zeit einfach zu viele Dinge passiert, an denen etwas faul zu sein scheint.«
»Was sage ich denn die ganze Zeit!«, rief Sara begeistert und hieb auf ihren Schreibtisch. »Ich wusste, dass an diesem Fall mehr dran ist, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Erheben wir jetzt Anklage wegen Mordes? Gegen beide oder nur einen?«
»Das würde ich gern von Ihnen hören. Wer, glauben Sie, ist der Mörder?«
»Claire Doniger steckt da meiner Meinung zwar auf jeden Fall mit drin, aber ich glaube nicht, dass sie die Tat selbst begangen hat. Ich nehme an, sie hat Kozlow damit beauftragt, ihrem Mann die Spritze zu geben.«
»Und die angeblich gestohlene Uhr und der Golfball waren vielleicht die Bezahlung für den Mord«, fügte Guff hinzu. »Wir brauchen uns ja nur Claire Donigers Bankkonten anzusehen, dann wissen wir, wie sie finanziell gestellt war.«
»Klasse. Super«, sagte Sara. »Dann sehen wir zu, dass wir so bald wie möglich Einblick in ihre Konten erhalten. Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
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