Der Fall
Sie wandte sich Moore zu. »Was können wir sonst noch tun?«
»Bevor Sie in weiteren Punkten Anklage erheben, würde ich an Ihrer Stelle noch mehr Nachforschungen anstellen. Sie haben das Wie, aber um einen Mordfall gründlich vorzubereiten, müssen Sie auch das Warum kennen. Verschaffen Sie sich Einblick in Ms. Donigers Finanzen, sehen Sie sich Arnold Donigers Testament an, halten Sie nach allem Ausschau, was als Motiv infrage kommen könnte. Und wenn Sie das haben, reichen Sie eine neue Klage mit den neuen Anklagepunkten ein und verhaften die Person, die Sie unter Anklage stellen wollen, noch einmal. Sie haben noch eine Menge zu tun, aber Sie machen Ihre Sache recht gut.« Damit stand Moore auf und ging zur Tür. »Leider muss ich mich auch noch um meine eigenen Fälle kümmern. Aber sagen Sie mir Bescheid, wenn es irgendetwas Neues gibt.«
»Darauf können Sie zählen«, sagte Sara. »Und noch mal vielen Dank, dass Sie heute für mich eingesprungen sind – Sie haben keine Ahnung, wie viel mir das bedeutet hat! Wirklich. Danke. Für alles.«
»Gern geschehen«, sagte Moore.
Als Moore ging, begann Sara sofort hektisch, eine Liste der Dinge zusammenzustellen, die sie noch tun musste. Darauf sagte Guff, der sie kurz dabei beobachtete: »Keine Angst. Wir werden ihn bestimmt retten.«
»Nur, wenn wir mit System vorgehen. Das ist die einzige Möglichkeit, ihn zu schlagen.« Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Moore tatsächlich gegangen war, griff Sara vorsichtig nach ihrer Aktentasche und stellte sie vor Guff auf ihren Schreibtisch. »Könnten Sie die Aktentasche bitte nach unten bringen und nach Fingerabdrücken untersuchen lassen?«
»Warum?«, fragte Guff.
»Weil ich das Glück hatte, wieder einmal meinem Freund mit den eingefallenen Wangen zu begegnen. Er hat mir auf der Toilette aufgelauert, als ich vor der Verhandlung noch mal kurz verschwinden musste.«
»Er war im Gericht?«
»Ja. Und weil wir immer noch nicht wissen, wer er ist, tat ich das einzige, was mir einfiel – in der Hoffnung, er würde sie auffangen, hab ich mit der Aktentasche nach ihm geschlagen.«
»Und deshalb haben Sie jetzt seine Fingerabdrücke?« Als Sara nickte, fügte Guff hinzu: »Sie sind ein ganz schön durchtriebenes Luder, wissen Sie das?«
»Ich gebe mir Mühe«, erwiderte sie und lehnte sich zurück. »Und Ihnen, Mr. Guff – noch mal vielen Dank, dass Sie mir zu Hilfe gekommen sind.«
»Das ist doch nicht der Rede wert. Um ehrlich zu sein, Moore hat sich förmlich darum gerissen, für Sie einzuspringen. Und zu beobachten, wie er sich mit Jared anlegte, war das Eintrittsgeld allemal wert.«
»Trotzdem verstehe ich nicht, warum er das getan hat.«
»Was gibt es da groß zu verstehen? Er ist in Sie verschossen.«
»Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt! Conrad ist in niemanden verschossen.«
»Sara, infolge mangelhafter Planung und schlechter Zeiteinteilung hätten Sie um ein Haar die heutige Anklageerhebung versäumt. Sie haben nicht angerufen, um sich zu vergewissern, ob jemand Sie vertritt. Sie hatten niemanden, der für Sie eingesprungen wäre. Sie haben schlicht und einfach den Termin versäumt. Und wie hat Conrad reagiert? Hat er Sie zusammengestaucht? Nein. Hat er sich groß aufgeregt? Nein. Stattdessen hat er gesagt: ›Ach, dann springe ich eben für sie ein – kein Problem.‹ Jeden anderen hätte er zu Hackfleisch gemacht. Aber Ihnen hat er geholfen.«
»Vielleicht wird er mit zunehmendem Alter einfach nachsichtiger.«
»Conrad wird nie nachsichtig. Wir sprechen hier von einem Mann, der sogar, wenn er in einem Hotel übernachtet, selbst sein Bett macht. Und so jemand, glauben Sie, wird irgendwann nachsichtig? Er hat Jared nur aus dem Grund die Leviten gelesen, weil er in Sie verschossen ist.«
»Also, ich würde da nicht zu viel hineininterpretieren«, sagte Sara. »Er hat mir nur einen Gefallen getan.«
Später am Abend nahm Jared ein Taxi in die Upper East Side. Inmitten der Designer-Boutiquen und schicken Cafés entlang der Madison Avenue war das Büro von Lenny Barrow. Es befand sich an der Ecke der Sixty-fifth Street über einer sündhaft teuren Boutique für Kinderkleider und hatte über dem Eingang ein Schild mit der Aufschrift: WISSEN SIE AUCH WIRKLICH, WO ER IST? LEONARD BARROW – PRIVATDETEKTIV. Jared betrat das Gebäude durch einen schmalen Seiteneingang neben dem Kindergeschäft, ging die Treppe hinauf und klopfte an Barrows Tür.
Barrow empfing ihn in Sportsakko und Krawatte.
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