Der Fall
heißen: Sie hat den Fall gestohlen?«
»Genau, was ich sage«, erwiderte Stockwell, der eine Armlänge von den Gitterstäben entfernt stand. »Sie hat ihn gestohlen. Der Fall kam rein, sie war zufällig gerade in der Nähe, und sie hat ihn sich geschnappt. Ich schätze, sie sah meinen Namen darauf stehen und schloss daraus, es wäre ein wichtiger Fall. Das Problem ist, sie hat eine Niete gezogen.«
»Kommen Sie mir bloß nicht dumm«, zischte Kozlow. Mit seinen dunklen Haaren, dem dichten schwarzen Spitzbart und der dreiviertellangen schwarzen Lederjacke war Tony Kozlow das, was man in der Staatsanwaltschaft einen typischen Kleinganoven nannte. Aus der Unterschicht stammend und leicht reizbar, war er wegen Stockwells Ton auf hundertachtzig. »Weiß Mr. Rafferty davon?«
Stockwell zuckte innerlich zusammen. »Noch nicht. Ich konnte ihn noch nicht erreichen. Im Übrigen ist das der einzige Grund, warum ich hier bin – ich dachte, er wäre vielleicht gerade zu Besuch bei Ihnen.«
»Der und mich besuchen?« Kozlow sah Stockwell mit zusammengekniffenen Augen an. »Warum hören Sie nicht auf mich und versuchen noch mal, ihn zu erreichen?«
Stockwell ging bedächtig auf die Zelle zu, steckte den Arm zwischen den Gitterstäben durch und packte Kozlow am Nacken. »Ich will Ihnen mal was sagen!« Er drückte Kozlows Gesicht gegen die Eisenstangen der Zelle. »Erzählen Sie mir nicht, was ich zu tun habe. Das mag ich nicht.«
Wütend schob Kozlow die Hände zwischen den Gitterstäben durch, packte Stockwell an den Ohren und rammte sein Gesicht gegen die Stäbe. »Willst du mir etwa drohen?«, brüllte er. »Fass mich noch einmal an und ich reiß dir den Kopf ab!« In wenigen Sekunden war ein in der Nähe stehender Wärter angelaufen gekommen, um Stockwell zu befreien. Er rammte Kozlow seinen Knüppel in den Bauch, sodass dieser in die Knie ging.
»Alles in Ordnung?«, fragte der Wärter Stockwell.
Ohne eine Antwort wandte sich Stockwell von Kozlows Zelle ab und verließ den Zellentrakt.
»Das nennen Sie einen Vergleich?«, brüllte Joel Rose.
»Mehr konnten wir nicht herausholen«, sagte Jared mit geschlossenen Augen, den Hörer zwischen Kopf und Schulter geklemmt. Von dem Augenblick an, in dem er den Anruf gemacht hatte, war ihm klar gewesen, dass er sich auf das Schlimmste gefasst machen musste. Lubetsky war schon nicht begeistert gewesen von der Höhe der Vergleichssumme, aber Joel Rose, Präsident und geschäftsführender Direktor von Rose Microsystems, war derjenige, der sie bezahlen musste – und das hieß, er wäre sogar noch weniger davon begeistert. Bemüht, möglichst zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis zu klingen, sagte Jared: »Außerdem, verglichen mit der Alternative ist diese Zahl doch gar nicht so schlimm.«
»Wirklich?«, fragte Rose. »Dann sagen Sie diese Zahl doch noch mal, Jared.«
»Zweihundertfünfzigtausend.«
»Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Jared. Diese Zahl hat sieben Silben. Und weil mehr Silben normalerweise mehr Geld bedeuten, bedeuten sieben Silben eine Menge Geld. Deshalb noch einmal, hört sich das für Sie wie eine kleine Zahl an?«
»Mr. Rose, ich weiß, Sie wollten nicht so viel zahlen, aber es ist wirklich ein fairer Vergleich – glauben Sie mir, es hätte schlimmer kommen können.«
»Ihnen glauben?« Roses Stimme bebte vor Wut. »Wir sind hier nicht bei den verdammten Pfadfindern, wir sind hier – Wissen Sie was? Stellen Sie mich zu Lubetsky durch. Ich habe die Schnauze voll, mich mit irgendwelchen Schwachköpfen herumzuschlagen.«
»Sind Sie sicher, er wird uns helfen?«, fragte Sara, als sie sich an ihren Schreibtisch setzte.
»Wenn Conrad sagt, er tut etwas, dann tut er es auch«, erwiderte Guff.
»Und wer ist dieser Conrad?«
»Conrad Moore ist ein fantastischer Ankläger – einer der renommiertesten dieser Behörde. Und noch wichtiger, er ist der SBA, für den ich ursprünglich gearbeitet habe, als ich hier anfing. Als ich ihn fragte, ob er Ihnen in dieser Sache einen Rat geben könnte, meinte er, nichts lieber als das.«
»Das ist ja großartig. Danke, Guff!«
»Danken Sie mir lieber noch nicht. Warten Sie erst ab, bis Sie ihn kennengelernt haben. Er ist ziemlich anstrengend.«
»Wie meinen Sie das, anstrengend?«
»In den letzten vier Jahren hatte Conrad die meisten Strafprozesse der ganzen Staatsanwaltschaft. Er bringt mehr Fälle zur Verhandlung als sonst jemand.«
»Warum?«
»Ganz einfach – er lässt sich nie auf einen Handel ein.
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