Der Fall
Kiefer verschob sich. »Sagen Sie mir einfach, was dort steht.« Nun sah auch Kathleen auf den Flur hinaus, bevor sie sich auf ihren Ellbogen vorbeugte. »An Ihrer Stelle wäre ich auf der Hut vor ihm. Der Kerl ist eine wandelnde Zeitbombe. Vor zwei Jahren geriet er mit einem Gangster aus Brooklyn namens Joey Gluck aneinander. Der Akte zufolge kam Joey nach einer durchzechten Nacht mit einer Prostituierten am Arm nach Hause. Sie lassen schnell die Hüllen fallen, wissen aber nicht, dass sich Kozlow, dieser Irre, unter dem Bett versteckt hat. Und gerade als Joey ins Bett schlüpfen will, nagelt ihm Kozlow mit einem Springmesser den nackten Fuß am Fußboden fest. Dann kriecht er unter dem Bett hervor und stößt Joey hintenüber, damit es noch ein bisschen mehr wehtut. Das Beängstigende daran ist, als der Fall zur Verhandlung kommt, beschließt Joey völlig überraschend, seine Aussage zu ändern. Behauptet plötzlich, er kann sich an nichts mehr erinnern.«
»Und die Prostituierte?«
»Sie wurde in der Nacht nach dem Überfall tot aufgefunden. Eine Überdosis Heroin, wenn man dem Obduktionsbefund glauben will.«
»Glauben Sie, Kozlow hat sie umgebracht?«
»Was meinen Sie? Hier ist Fall Nummer zwei: Ein Bauarbeiter namens Roger Hacker kommt nach einem langen Arbeitstag nach Hause, geht als Erstes ins Bad und setzt sich auf die Klobrille. Plötzlich bildet sich der gute Mann ein, in der Dusche ein Geräusch zu hören. Bevor er aufstehen kann, fliegt der Duschvorhang auf und Kozlow springt heraus. Soweit sich der Hergang rekonstruieren lässt, schickt Kozlow Hacker mit einem Schlag gegen den Kehlkopf zu Boden. Dann tritt er ihm ins Gesicht und gegen den Kopf und schließlich noch mit voller Wucht gegen die Schulter. Schlüsselbeinbruch. Kozlow hat ihm also seinen Standpunkt klargemacht. Doch dann tut Hacker etwas Dummes. Er rappelt sich hoch, zieht einen Schraubenzieher aus seinem Werkzeuggürtel und stürzt sich damit auf Kozlow, der gerade die Wohnung verlassen will. Jetzt geht das Ganze erst richtig los. Ein Wohnungsnachbar, der natürlich beim Prozess seine Aussage änderte, erklärte, es hätte sich angehört, als würde jemand eine Katze quälen. Und als die Polizei schließlich eintraf, steckte der Schraubenzieher in Hackers Kehle, während seine Augen –«
»Mehr will ich nicht hören«, unterbrach Jared sie.
»Dann lassen Sie mich Ihnen nur noch den Schluss erzählen: Bei der Obduktion stellte sich heraus, dass Hacker mindestens ein Dutzend Verletzungen aufwies, die ihm nachweislich nach Eintritt des Todes beigebracht worden waren – das heißt, Kozlow machte sich nur zum Spaß auch dann noch über Hacker her, als der längst tot war.«
»Ich sagte doch, ich will nichts mehr hören.«
»Jared, ich weiß, das sind nicht gerade erfreuliche Neuigkeiten, aber Sie haben es hier mit einem Mörder zu tun. Sie müssen –«
»Bitte erzählen Sie mir nicht, was ich tun muss. Rufen Sie bloß Barrow an, und geben Sie ihm Bescheid, dass ich zwei Personen überprüft haben möchte. Die erste ist Kozlow; die zweite ist Oscar Rafferty.«
»Wer ist Oscar Rafferty?«
»Das würde ich auch gern wissen.«
»Gut, wird gemacht«, erklärte Kathleen. »Ich werde dafür sorgen, dass wir alles bekommen: Hintergrund, Bankkonten, Frauen, Clubmitgliedschaften, alles, was irgendwelche Aufschlüsse zulässt.«
»Und sagen Sie ihm, er soll möglichst diskret vorgehen. Ich möchte nicht, dass Rafferty Wind von der Sache bekommt.«
Sie war es nicht gewöhnt, Jared so paranoid zu sehen. »Das ist wirklich nicht ganz ungefährlich, wie?«
»Sie sollten jedenfalls lieber nichts davon mitbekommen.«
»Möchten Sie darüber sprechen?«
Jared zögerte. »Nein. Jetzt nicht.«
Kathleen sah ihren Chef an. In den vier Jahren, die sie Jared kannte, hatte sie ein sicheres Gespür dafür entwickelt, ob er etwas ernst meinte oder ob er wollte, dass sie weiter in ihn drang. Heute war kein Tag, um weiter in ihn zu dringen. »Ich bin jedenfalls da, wenn Ihnen danach ist.« In diesem Moment sah Kathleen, wie Kozlow in Begleitung einer der Empfangsdamen der Kanzlei den Flur herunterkam. Sie gab Jared ein kurzes Zeichen und begann dann laut: »… und danach lasse ich sie alle Fälle raussuchen, die sich mit Einbrüchen befassen. Bis zum Mittagessen liegen sie auf Ihrem Tisch.«
»Danke«, sagte Jared mit einem Blick auf Kozlow, der in seiner üblichen dreiviertellangen Lederjacke in Jareds Büro schlenderte. Aus der Tasche seiner
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