Der Fall
der bessere Ausdruck. Er rief an, während Sie im Gericht waren – wollte alles über Sie beide wissen. Ihre Charaktereigenschaften, Ihre Arbeitsgewohnheiten, was Sie für einen Ruf haben. Natürlich habe ich ihm nichts gesagt, aber er versuchte mit allen Mitteln herauszufinden, was Sie für ein Mensch sind.«
»Na ja, vielleicht.«
»Nein, ganz sicher.« Sie erhob sich von ihrem Stuhl und fügte hinzu: »Wir müssen irgendwas unternehmen.«
»Ich setze Barrow darauf an«, sagte Jared, einer Panik nahe.
»Das ist nicht genug – so bekommen wir nur heraus, ob Rafferty wirklich so gefährlich ist. Warum sagen Sie es Sara nicht? Sie hat ein Recht darauf, es zu erfahren.«
»Ich kann es ihr nicht sagen, Kathleen. Sie wissen, wie sie reagieren würde. Sie würde sich schon mit Rafferty anlegen, bevor ich überhaupt zu Ende erzählt hätte.«
»Nur, weil sie nicht blöd ist.«
»Nein, weil sie ein Hitzkopf ist! Und in diesem Fall halte ich einen Konfrontationskurs nicht für die beste Lösung.«
»Aber glauben Sie nicht –«
»Kathleen, ich habe alle Möglichkeiten durchgespielt. Wir sprechen hier von meiner Frau. Meinem Ein und Alles. Die ganze letzte Woche habe ich nur daran gedacht, wie es wäre, sie zu verlieren. Wissen Sie, wie das ist? Jeden Abend, wenn ich mich schlafen lege, frage ich mich, ob sie sie mir wegnehmen werden. Und das ist auch die erste Frage, die ich mir jeden Morgen beim Aufwachen stelle. Den ganzen Tag über kann ich an nichts anderes denken als an sie. Gestern Nacht träumte ich, was ich bei ihrem Begräbnis sagen würde. Haben Sie eine Ahnung, wie beängstigend das ist? Sie ist mein Ein und Alles, Kathleen.«
Kathleen legte Jared die Hand auf die Schulter. »Es tut mir leid.«
Jared wischte sich die Augen. »Schon die ganze Woche versuche ich eine Lösung zu finden. Soll ich zur Polizei gehen, oder soll ich den Mund halten? Soll ich es Sara sagen, oder ist es besser für sie, wenn sie nichts weiß? Ich würde es ihr zu gern erzählen. Eigentlich müsste ich es ihr unbedingt erzählen. Aber ich glaube, Rafferty übertreibt keineswegs, wenn er behauptet, er überwacht jeden meiner Schritte. Ich glaube, er tut ihr wirklich etwas an, wenn ich einem Menschen etwas davon erzähle.«
»Warum haben Sie es dann mir erzählt?«
»Weil Sie von selbst drauf gekommen sind. Nachdem Sie einmal soweit waren, wurde mir klar, dass ich Sie nur daran hindern kann, alles auszuplaudern, wenn ich Sie über die Konsequenzen aufkläre.«
»Aber –«
»Nichts ›aber‹. Wenn ich es Sara sage, läuft sie Amok. Sie wird sofort gegen alle Beteiligten vorzugehen versuchen, was alles nur noch schlimmer machen würde. Das Beste, was ich zu ihrem Schutz tun kann, ist, dafür zu sorgen, dass sie auf keinen Fall etwas davon erfährt. Und nachdem das Ganze nun mal mein Problem ist, habe ich beschlossen, die Sache so und nicht anders anzugehen. Wenn Sie anderer Meinung sind, können Sie gern in der Personalabteilung anrufen und sich einem anderen Anwalt zuteilen lassen. Ansonsten möchte ich Sie bitten, das zu tun, was ich sage. Einmal ganz unabhängig davon, was Sie denken, könnte ich wirklich Unterstützung brauchen.«
»Dann werden Sie also einfach alles tun, was sie sagen?«
»Es wird allgemein von mir erwartet, dass ich tue, was sie sagen – es ist mein Job, den Prozess zu gewinnen, oder haben Sie das vergessen?«
»Und wenn Sie nicht gewinnen?«
»Glauben Sie mir, ich werde gewinnen! Und wenn ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen muss – ich werde diesen Prozess gewinnen. Also, wie sieht es aus?«
Kathleen bedachte ihn mit einem warmen Lächeln. »Sie kennen doch meine Antwort bereits. Wenn ich nicht voll hinter Ihnen stünde, wäre ich schon Vorjahren gegangen.«
»Danke, Kathleen«, sagte Jared. »Ich hoffe nur, Sie müssen es nicht bereuen.«
Sara ließ das Mittagessen ausfallen und verbrachte die nächste Stunde damit, sich auf ihre anderen Fälle vorzubereiten. Der erste Ladendiebstahl und der Drogenbesitz hatten sich zu einer gemeinnützigen Tätigkeit bereit erklärt, womit sie diese beiden schon einmal abhaken konnte. Aber der zweite Ladendieb und der Taschendieb stellten sich quer. Sie kannten sich gut genug mit den Tücken des amerikanischen Rechtssystems aus, um zu wissen, dass es Monate dauern konnte, bis ihr Fall zur Verhandlung käme, und nach der Durchsicht der unmöglich langen Wartelisten der Gerichte für geringfügige Delikte gelangte Sara zu der Überzeugung, dass sie
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