Der Fall
schlug ihn beim Buchstaben G auf. Sie zog ein Paar Gummihandschuhe heraus und sagte: »Die sind doch vermutlich dafür da, Beweismaterial anzufassen, oder nicht?«
»Ja«, sagte Guff, als Sara sich die Handschuhe überstreifte. »Aber was haben Sie …«
Vorsichtig nahm Sara beide Türknäufe in die Hände und drehte sie in entgegengesetzter Richtung, bis die rostigen Gewinde nachgaben und die Knäufe sich abschrauben ließen. »Geben Sie mir einen Beweismittelbeutel aus dem Reiseset«, forderte sie Guff auf.
Guff nahm eine Plastiktüte heraus und öffnete sie. Sara legte die Knäufe in die Tüte und zog die Handschuhe aus. »Bringen Sie sie zur Spurensicherung rüber. Ich möchte sie nach Fingerabdrücken untersucht haben.«
»Glauben Sie, jemand war in Ihrem Büro?«
»Ich weiß, dass jemand hier war. Und jetzt will ich wissen, wer es war.«
Fünf Minuten später war Sara im siebten Stock des Gebäudes Hogan Place Nummer eins, wo sich das Büro von Arthur Monaghan befand. Nachdem sie die Sicherheitskontrolle passiert hatte, ging sie den langen Korridor entlang zum Warteraum für Besucher. Dort saßen bereits zwei andere neue SBAs aus ihrem Einführungskurs. Sara konnte sich erinnern, dass die Frau mit der ovalen Brille frisch von der NYU kam, während der blonde Mann mit den hellen Sommersprossen mit ihr an der Columbia studiert hatte.
Beide wirkten nervös. Sara bedachte ihre Kollegen mit einem zaghaften Lächeln. »Sieht so aus, als bekämen wir Arger.«
»Seien Sie lieber still«, sagte die Frau von der NYU. »Diese Stadt ist die am schlechtesten organisierte –«
»Sind Sie Sara Tate?«, kam von der rechten Seite des Warteraums eine Frauenstimme.
Als Sara sich umdrehte, sah sie die Sekretärin des DA, eine dünne Frau mit einer aus der Mode gekommenen hochgeföhnten Frisur.
»Ja, die bin ich.«
»Gehen Sie gleich rein«, sagte die Sekretärin. »Alles Weitere hören Sie dann von ihm.«
»Viel Glück«, sagte der Mann von der Columbia.
Sowohl von der Tatsache, dass sie so rasch vorgelassen wurde, wie von den Mienen ihrer Kollegen verunsichert, ging Sara langsam an der Sekretärin vorbei. Sie bekam wieder dieses flaue Gefühl im Bauch, als flatterten Schwärme von Schmetterlingen darin herum. Als sie den Kopf durch die Tür von Monaghans Büro steckte, sah sie, dass der lang gezogene Raum von einem riesigen Mahagonikonferenztisch beherrscht wurde. Und obwohl die restliche Büroeinrichtung keineswegs als besonders hochwertig zu bezeichnen war, fiel ihr doch auf, dass sie eindeutig besser war als die 08/15-Möbel der SBAs: ein matt schimmernder Eichenschreibtisch statt eines hässlichen aus Metall, ein Ledersessel statt eines quietschenden aus Plastik und neue Aktenschränke statt der rostigen Einheitsmodelle.
»Warum haben Sie so lange gebraucht? Sie mussten doch nur die Straße überqueren«, sagte Monaghan, als er sie aufforderte einzutreten. Mit seinem strahlenden Lächeln und dem unübersehbaren Toupet machte Monaghan den Eindruck, als versuche er, bei den Leuten gut anzukommen. Wenn man allerdings dem Glauben schenken durfte, was in der Behörde geredet wurde, gelang ihm das nur selten.
»Schön, Sie mal persönlich kennenzulernen, Sir«, sagte Sara, als sie vor Monaghans Schreibtisch Platz nahm.
»Kommen wir gleich zur Sache«, sagte Monaghan. »Es geht um die Budgetkürzungen. Was halten Sie davon?«
»Sieht mir ganz nach einer wahltaktischen Maßnahme aus.« Sara rutschte unbehaglich auf ihrem Sitz herum, versuchte aber ihrer Stimme etwas Selbstbewusstes zu verleihen.
»Natürlich ist es das – aber es funktioniert. Und genau das ist der Grund, warum der Bürgermeister so viel davon hält. Heutzutage stehen sie alle auf raue Budgetkürzungen. Zum Teufel mit aller Mäßigung, nein, zurück zu den harten Realitäten. Je mehr es schmerzt, desto mehr Leute denken, es ist gut für sie. Wir sind eine Stadt von Masochisten geworden. Die Sozialhilfe abbauen, die Ansprüche beschneiden, alles kürzen. Die Leute sehen das als eine strenge Form der Zuneigung. Wenn uns etwas Gutes genommen wird, dann muss es daran liegen, dass es nicht gut für uns war – sonst würden die Politiker nicht so unliebsame Standpunkte vertreten. Es ist die umgekehrte Psychologie auf die Spitze getrieben: Wir behalten die Dinge, die wir nicht wollen, und trennen uns von denen, die wir lieben.«
»Durchaus möglich, Sir. Obwohl ich finde –«
»Aber wissen Sie was? Das spielt alles keine Rolle.« Er legte seine
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