Der falsche Apostel
unterhalten. Du
siehst selbst, wie klein sie ist, und die Gemeindemitglieder kennen sich fast alle.«
»Vergiss nicht die Gallier, die sind Fremde.«
»Stimmt. Der tote Mönch und seine Schwester wohnten in einer Herberge schräg gegenüber, sie haben die ganze Woche über den
Gottesdienst regelmäßig besucht. Der andere Gallier |277| war bisher nur einmal hier. Die einzig völlig Fremde bei der Messe heute warst du.«
»Das Gespräch mit dir war sehr aufschlussreich, Talos. Würdest du Enodoc, den Gallier, zu mir bitten?«
Talos stand rasch auf und entledigte sich seiner Aufgabe im Vorübergehen.
Der Gallier war um das Mädchen bemüht. Er hatte sich zu ihr gebeugt und streichelte der im Kummer Versunkenen den Arm. Sie
schluchzte nicht mehr und hatte den Kopf erschöpft auf die Brust sinken lassen.
»Über die Stellung der Anwälte nach den Gesetzen der Brehons weiß ich Bescheid«, erklärte der junge Mann als Erstes offenherzig
und setzte sich. »Wir in Gallien und ihr in Irland blicken auf gemeinsame Vorfahren zurück und haben eine ähnliche Rechtsauffassung.«
Fidelma ging auf seinen lockeren Ton nicht ein. »Ich möchte etwas über dich erfahren«, forderte sie ihn kühl auf.
»Ich heiße …«
»Wie du heißt, weiß ich. Auch, woher du kommst. Erzähl mir lieber, was dich nach Rom geführt hat.«
Der junge Mann lächelte weiterhin fröhlich und freundlich.
»Ich bin Kapitän eines Handelsschiffs. Wir sind aus dem Hafen der Veneter in Armorica hierhergesegelt. Ich halte mich als
Handelsmann in Rom auf.«
»Und Docco, den Mönch, hast du gekannt?«
»Wir stammen aus demselben Dorf.«
»Und mit dem Mädchen Egeria bist du verlobt?«
Enodoc zuckte leicht und runzelte die Stirn. »Was bringt dich dazu, diese Frage zu stellen?«
»So, wie du dich um sie bemühst, benimmt sich nur ein besorgter Liebhaber, kein Fremder und auch nicht ein bloßer Freund.«
|278| »Du bist eine aufmerksame Beobachterin, Schwester.«
»Stimmt es, oder stimmt es nicht?«
»Ich möchte sie heiraten.«
»Und wer hindert dich daran?«
Wieder zog er die Brauen zusammen. »Woraus schließt du, dass mich jemand daran hindert?«
»Aus der Art, wie zurückhaltend du deine Sätze formulierst.«
»Also gut. Es stimmt, ich habe Egeria heiraten wollen. Es stimmt auch, dass Docco, der das Familienoberhaupt ist, nicht wollte,
dass sie mich heiratet. Wir sind im selben Dorf aufgewachsen, doch wir sind uns nicht länger freundlich gesinnt.«
»Dennoch bist du hier in Rom und stehst mit Docco und Egeria vor ein und demselben Altar«, merkte Fidelma an.
»Ich habe nicht gewusst, dass die beiden in Rom sind. Zufällig habe ich sie vor ein paar Tagen getroffen, und da habe ich
gedacht, bevor ich mein Schiff besteige und nach Gallien zurücksegele, sollte ich das Gespräch mit Docco suchen, vielleicht
komme ich diesmal meinem Ziel etwas näher.«
»Und vor allem deshalb bist du hier in der Kirche?«
Enodoc hob die Schultern. »Eigentlich schon. Ich liege ja in der Nähe vor Anker.«
»Entschuldige bitte, aber Ostia, Roms nächstgelegener Hafen, ist ein ziemliches Stück von hier entfernt. Du willst mir doch
nicht erzählen, dass du als Kapitän deines Schiffs nach Ostia gekommen bist, dort zufällig gehört hast, Docco und Egeria seien
in Rom, und dass du dich daraufhin auf den langen Weg gemacht hast, um sie hier zu treffen?«
»Nein, ganz so war es nicht. Ich hatte in Rom Geschäfte abzuwickeln und ließ mein Schiff in Ostia. Ich musste mit einem Kaufherrn
über eine Ladung verhandeln, die ich mitnehmen |279| sollte. Dass ich auf Egeria und Docco durch Zufall gestoßen bin, ist die reine Wahrheit.«
»Ich habe gehört, du bist heute nicht zum ersten Mal in dieser
ecclesia
?«
»Das ist richtig, ich war auch schon gestern hier. Ich hatte gänzlich unerwartet Egeria und Docco gesehen und bin ihnen hierher
gefolgt.«
»Ein merkwürdiger Zufall.«
»Zufälle ereignen sich häufiger, als wir es wahrhaben wollen. Wir haben gestern gemeinsam am Gottesdienst teilgenommen.«
»Hattest du Erfolg mit deinem Anliegen?«
Enodoc zögerte. »Nein, Docco war gegen meine Heirat mit Egeria wie eh und je.«
»Und doch hattest du es darauf angelegt, den beiden heute wieder zu begegnen.«
»Ich muss heute zurück nach Ostia, da wollte ich noch einmal versuchen, Docco umzustimmen. Ich liebe Egeria.«
»Und liebt sie dich?«
»Das wirst du sie selber fragen müssen.«
»Das habe ich auch vor. Wo hast du sie heute
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