Der falsche Apostel
wie ein Kind, das gelangweilt
– nach Offensichtlichem befragt – die verlangte |344| Erklärung abgibt. »Der Stich erfolgte mit dem Pfeil hier. Der Täter hat mit dem Pfeil unterhalb des Rippenbogens zugestoßen,
genau am Brustbein vorbei, hat mit der nötigen Kraft die Pfeilspitze nach oben und ins Herz getrieben. Der Tod erfolgte unmittelbar.
Geblutet hat es so gut wie gar nicht.«
»Aus welchen Erwägungen heraus sprichst du nicht davon, dass der Pfeil abgeschossen wurde?«, fragte Abt Laisran erneut.
»Bei dem Einstichwinkel, wie er sich uns darbietet, hätte der Bogenschütze fünf Fuß entfernt und mindestens fünf Fuß tiefer
als das Opfer stehen müssen, um in einem Winkel von fünfundvierzig Grad schräg nach oben schießen zu können. Außerdem ist
der Pfeil entzweigebrochen. Ich vermute, der Schaft hat der Kraft, mit der zugestoßen wurde, und der festen Umklammerung durch
die Hand des Angreifers nicht standhalten können.«
»Demnach hast du die Pfeilspitze regelrecht herausschneiden müssen?«
Kopfschüttelnd widerlegte sie die Vermutung.
»Die Pfeilspitze ist Teil des Schafts, das Holz vorne lediglich zugespitzt. Ich musste nichts herausschneiden, brauchte den
Pfeil nur herauszuziehen. So, wie er hineinging, ging er auch wieder heraus. Es war ganz leicht.«
Im Stillen war Fidelma leicht verzweifelt.
»Schon als du herkamst, um den Leichnam zu untersuchen, war der Pfeil entzwei? Die eine Hälfte steckte im Körper, die andere
… Wo war die eigentlich?«
Schwester Eblenn schreckte auf und schaute sich um, als würde ihr das helfen, die Antwort zu finden.
»Das weiß ich nicht; sie müsste hier irgendwo liegen.«
An Fidelma zerrte die Ungeduld. Aus Schwester Eblenn etwas herauszukriegen war wie Forellenangeln. Man musste die |345| Angel aufs Geratewohl auswerfen. Sinnend betrachtete sie die Pfeilspitze. Wie aus der Ferne hörte sie Eblenn etwas sagen.
»Was?«
»Ich muss zurück in mein Apothekerzelt. Der eine Diebstahl heute früh hat mir gereicht, und man weiß ja, Gelegenheit macht
Diebe.«
Im Nu war Fidelma hellwach. »Was hat man aus deinem Zelt entwendet?«
»Ach, nur ein paar Kräuter. Aber auch die kosten Geld.«
»Die paar Kräuter – waren das Alraune, Eisenhut und zerstoßener Efeu?«
»Oh, du hast wohl mit Lady Dagháin gesprochen?«
Fidelma stutzte. »Was hat Lady Dagháin damit zu tun?«
»Nichts. Sie kam nur gerade an meinem Zelt vorbei, als ich den Diebstahl entdeckt hatte. Ich bat sie, ihren Mann in Kenntnis
zu setzen, der als
tánaiste
für die königlichen Wachen verantwortlich ist.«
»Wann genau war das?«
»Zur Frühstückszeit. Heute Morgen. Zuvor hatte Königin Muadnat bei mir hereingeschaut, sie wünschte Balsam gegen Kopfschmerz.
Kurze Zeit darauf merkte ich, dass die Kräuter fehlten. Als ich dann zum Frühstück gehen wollte, sah ich Lady Dagháin und
sagte es ihr.«
Damit verließ sie Schwester Eblenn. Laisran, dem immer noch seine Verwirrung anzumerken war, stellte zufrieden fest: »Wenigstens
wissen wir jetzt, woher der Täter das Gift hatte.«
Fidelma nickte geistesabwesend. Sie ging auf die Knie, begann, die Leiche näher zu untersuchen und winkte dann Laisran zu
sich heran.
»Schau dir mal die Wunde an, Laisran. Ich habe den Eindruck, Schwester Eblenn mangelt es an Gründlichkeit.«
Nachdem Laisran die Wunde eingehend beäugt hatte, kam |346| auch er zu der Erkenntnis: »Von einer Pfeilspitze stammt die nicht. Sie ist mehr wie ein klaffender Schlitz, könnte eher von
einem Messer mit breiter Klinge stammen.«
»Genau der Meinung bin ich auch.«
Sorgsam suchte sie den Erdboden ab, fing bei dem Leichnam an und zog immer größere Kreise. Aber bis auf eine
cena
aus Leder, einen Beutel mittlerer Größe, fand sie nichts. Sie legte ihn auf den Tisch. Was sie zu finden gehofft hatte, konnte
sie nirgends entdecken. Unverrichteter Dinge stand sie wieder auf. Sie nahm das abgesplitterte Pfeilstück, drehte es ratlos
hin und her und steckte es in ihr
marsupium
, die Gürteltasche, die sie stets bei sich trug.
Schließlich warf sie einen letzten Blick auf Illan. Laisran hatte recht – er war ein hübscher junger Mann gewesen. Doch sein
Antlitz war ein wenig zu schön, als dass es sie gereizt hätte. Sie konnte sich gut vorstellen, wie selbstgefällig und von
sich überzeugt er sich zu Lebzeiten gegeben hatte.
Mit einem Hüsteln machte Abt Laisran auf sich aufmerksam.
»Hast du schon irgendwelche
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