Der falsche Apostel
Vorstellungen?«
Sie lächelte ihren alten Mentor an. »Jedenfalls keine, die Sinn machen.«
»Während du mit dem Leichnam beschäftigt warst, habe ich mir den kleinen Beutel, den du in der Zeltecke gefunden hast, etwas
näher angesehen. Du solltest auch mal hineinschauen.«
Stirnrunzelnd folgte sie seinem Rat und beförderte eine Kräutermischung ans Tageslicht. Argwöhnisch schnupperte sie daran.
»Ist das wirklich, was ich vermute?«, fragte sie Laisran mit großen Augen.
»Ja. Alraune, Eisenhut und Efeublätter. Nicht nur das, auf der
cena
ist auch ein kleines Zeichen, aber ein anderes, als ich auf der Apothekertasche von Schwester Eblenn gesehen habe.«
|347| Beinahe hätte Fidelma gepfiffen, aber sie beließ es bei der Lippenbewegung.
»Das gibt uns ein neues Rätsel auf, Laisran. Wir müssen herausfinden, zu wem das Wappen gehört.«
Völlig unerwartet betrat Énna das Zelt.
»Ah, da bist du ja, Schwester. Hast du hier genug gesehen?«
»Was zu sehen war, habe ich gesehen«, erwiderte sie.
Sie wies auf den Leichnam. »Ein trauriges Ende für einen, der so jung und talentiert war.«
»Manch ein Ehemann ist da anderer Meinung, Schwester«, meinte er hämisch.
»Denkst du an die Königin?« Laisran erwehrte sich nicht eines Lächelns.
Peinlich berührt zuckte Énna zusammen. Von Muadnats Affären wussten viele, aber niemand am Hof verlor ein Wort darüber.
»Du wirst jetzt gewiss Bischof Bressal aufsuchen?«, wandte er sich an Fidelma. »Er ist schon etwas ungehalten, dass du nicht
als Erstes zu ihm gegangen bist.«
Fidelma hielt sich mit einer Entgegnung zurück.
»Bevor wir das tun, brauche ich deine Hilfe Énna«, sagte sie stattdessen. »Als
tánaiste
kennst du dich doch sicher mit Wappen und Stammeszeichen aus.«
Er machte eine zustimmende Geste.
»Was für ein Zeichen ist das hier?« Sie hielt ihm den Beutel hin, den sie gefunden hatten.
»Das sind die Insignien aus dem Hause des Bischofs Bressal«, erwiderte Énna ohne Zögern.
Fidelma presste die Lippen zusammen, während Laisran einen erschrockenen Laut von sich gab.
»Ich will den guten Bischof nicht länger als nötig warten lassen«, sagte Fidelma fast ein wenig ironisch. »Gehen wir zu ihm.« |348| »Erzähl, wie sich dir die Dinge darstellen«, forderte Fidelma den Bischof des Königs von Laighin auf und nahm vor dem erregten
Mann Platz. Bressal war groß und beleibt, von starkem Knochenbau und hatte im Gegensatz dazu ein blasses, fast kindliches
Gesicht, dazu den Ansatz einer Glatze. Was ihr gleich als Erstes auffiel, war der rote Striemen auf seiner linken Wange.
Missbilligend sah er sein junges Gegenüber an, um dann aufzublicken und Abt Laisran zuzunicken, der gleichfalls das Zelt betreten
hatte und mit verschränkten Armen am Eingang stehen geblieben war. Als vierte Person stand noch ein groß gewachsener Krieger
im Raum, der zu Bressals Hausstand gehörte, denn Rang und Amt des Bischofs berechtigten ihn zu einer Leibwache.
»Du hast dich ohne Erlaubnis in meiner Gegenwart gesetzt, Schwester«, tadelte er Fidelma.
In aller Ruhe sah sie ihm ins Gesicht und erklärte ungerührt: »Mich zu setzen ist mir ohne ausdrückliche Aufforderung in der
Gegenwart jedes Kleinkönigs gestattet. Ich bin eine
dálaigh
, Anwältin beim Gericht, und habe den Grad eines
anruth
erworben. Mit anderen Worten, selbst in der Gegenwart des Hochkönigs darf ich mit seiner Erlaubnis sitzen. Ich bin …«
Verärgert winkte er ab. Mit den Regeln von Vorrechten der Brehons in ihren Rangabstufungen war er vertraut.
»Kommen wir zur Sache,
anruth
. Wieso sehe ich dich erst jetzt? Je früher man mich anhört, desto rascher hat meine unerhörte Festnahme ein Ende.«
Nachdenklich sah sie ihn an. Was war das nur für ein hochmütiger Mann! An den Geschichten, die sie über ihn und sein eitles
Vorhaben gehört hatte, beim Pferderennen unbedingt gegen das Pferd des Königs siegen zu wollen, musste etwas dran sein.
|349| »Wenn dir an einer zügigen Klärung der Vorfälle gelegen ist, dann beantworte bitte meine Fragen und lass deine beiseite. Im
vorliegenden Fall …«
»Der ist doch klar!«, polterte der Bischof los. »Fáelán versucht mir für eine Sache die Schuld zuzuschieben, mit der ich nichts
zu tun habe. Da gibt es nichts dran zu rütteln. Wahrscheinlich hat er das alles selbst gemacht, um mich in ein schlechtes
Licht zu setzen, weil er wusste, dass mein Pferd seins schlagen würde.«
Fidelma zog die Augenbrauen
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