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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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Hauptmann
     der Leibgarde ernannt. Der Stammesfürst der Uí Dróna hatte Liadins Vater davon überzeugt, dass es politische und finanzielle
     Vorteile brächte, seine Tochter mit einem Krieger aus Gallien zu verheiraten.
    Damals hatte sich Fidelma sehr gesorgt um ihre unglückliche Seelenfreundin. Während die in eine Zwangsheirat einwilligen musste,
     ging Fidelma ihrem Studium der Rechtsvorschriften nach und wurde schließlich sogar als
dálaigh
, Anwältin bei den Gerichten in Irland, zugelassen.
    Nach der Heirat hatte Fidelma ihre Freundin nur noch einmal getroffen, und da schwebte sie im siebenten Himmel, denn entgegen
     aller Erwartungen hatte sie ihren Mann lieben gelernt. Fidelma hatte nicht schlecht gestaunt über die Verwandlung ihrer Jugendgefährtin.
     Den überschwänglichen Schilderungen zufolge musste Fidelma annehmen, Liadin und Scoriath wären buchstäblich ineinander verschlungen
     wie ein Weinstock, der |371| sich um einen Baum rankt. Fidelma hatte sichüber die Maßen gefreut und erst recht über die bald danach erfolgte Geburt ihres
     Sohnes. Dann hatten sie einander wieder aus den Augen verloren.
    Das Kind müsste jetzt drei Jahre alt sein, überlegte Fidelma, als sie ihr Ross zur Stammesfestung der Uí Dróna lenkte. Was
     für ein Unheil mochte Liadin zugestoßen sein, dass sie ihr nun so eine Nachricht sandte?
     
    Fidelma war längst aufgefallen, dass ein Mann sie beobachtete. Sie hatte den Vorsprung des Berges umrundet und ritt achtsam
     talwärts auf die düstere Festung zu. Er stand lässig mit untergeschlagenen Armen am Tor des
rath
und änderte auch bei ihrem Näherkommen seine Haltung nicht. Sie brachte ihr Pferd zum Stehen.
    »Was suchst du hier?«, schnauzte er grob.
    Fidelma schaute gereizt auf ihn herab. »Ist das die Stammesfestung der Uí Dróna?«
    Der Mann bestätigte es mit einem Kopfnicken.
    »Dann begehre ich Einlass.«
    »Was führt dich her?«
    »Das ist meine Sache.« Ihre Stimme war ruhig, aber entschieden.
    »Ich bin Conn,
tánaiste
der Uí Dróna. Es ist meines Amtes, zu erfahren, weshalb du Einlass begehrst«, erwiderte er keineswegs zurückhaltend.
    Die Reiterin blieb unbeeindruckt. »Ich bin gekommen, um Liadin zu besuchen. Ich bin Fidelma von Kildare.«
    Sie nahm wahr, wie sich die Miene des Mannes für einen Augenblick änderte. Dabei hatte sie das seltsame Gefühl, er schien
     erleichtert, doch die Regung schwand, ehe sie sich dessen noch sicher sein konnte. Der
tánaiste
streckte sich.
    |372| »Ich bedauere, Schwester. Liadin wird eben jetzt, während wir miteinander sprechen, von Brehon Rathend vernommen.«
    Überraschung malte sich auf Fidelmas Zügen. »Sie wird
vernommen
? Willst du damit sagen, sie muss sich in einem Gerichtsverfahren vor dem Brehon verantworten?«
    Der
tánaiste
zögerte. »In gewisser Weise schon. Sie beteuert ihre Unschuld.«
    »Ihre Unschuld? Welcher Straftat bezichtigt man sie?«
    »Liadin ist angeklagt, ihren Mann Scoriath vom Stamme der Fir Morc und ihren Sohn ermordet zu haben.«
     
    Brehon Rathend war schlank und dürr, mit bleicher, wie blutleer wirkender Haut. Der Richter hatte tiefliegende Augen mit Tränensäcken;
     das gab ihm das Aussehen eines Menschen, der zu wenig Schlaf fand. Die scharfen Gesichtszüge ließen darauf schließen, dass
     er kaum Sinn für Humor hatte. Insgesamt machte er einen kränklichen und missmutigen Eindruck.
    »Woher nimmst du dir die Freiheit, diesen Prozess zu unterbrechen, Schwester?«, fragte er mürrisch, kaum dass er den Raum
     betrat, in den man Fidelma geführt hatte. Sie hätte den Rang einer
dálaigh,
erklärte sie ihm und verlangte zu wissen: »Wird Liadin von den Uí Dróna von einem Anwalt vertreten?«
    »Nein«, entgegnete er. »Sie lehnt eine Verteidigung ab.«
    »Dann werde ich sie in diesem Verfahren verteidigen. Ich fordere eine Vertagung der Anhörung um vierundzwanzig Stunden, um
     mich mit meiner Mandantin zu beraten …«
    Rathend war unentschlossen. »Das dürfte schwierig sein. Woher willst du überhaupt wissen, ob sie dich als Anwältin möchte?«
    Herausfordernd sah Fidelma den Brehon an. Rathend war bemüht, ihrem Blick standzuhalten, senkte dann aber den Kopf.
    |373| »Selbst wenn sie dich als Anwältin annimmt – ich gebe zu bedenken, dass man zur Eröffnung des Verfahrens und der Verlesung
     der Anklage bereits versammelt ist«, erklärte er lahm.
    »Der Zweck eines Gerichtsverfahrens ist, Gerechtigkeit walten zu lassen, nicht eine Zuschauerschar zu befriedigen. Das

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