Der falsche Apostel
gehört, dass wir uns erbittert
zankten, habe es jedoch für ratsam gehalten, nicht stehen zu bleiben. Ich habe das bestritten, doch niemand will mir glauben.«
»Wer hatte dir die Nachricht gebracht, dass deine Tante erkrankt wäre?«
»Ein Mönch vom Kloster des heiligen Moling, das hier in der Nähe ist. Der Bruder heißt Suathar.«
»Hat dich jemand gesehen, wie du den
rath
verlassen hast, als du zu deiner Tante aufgebrochen bist?«
»Viele Leute waren zugange. Es war ja Mittag, als ich losritt.«
»Also war es doch bekannt, dass du die Festung verlassen hattest.«
»Das ist anzunehmen.«
»Und wer hat dich gesehen, als du abends zurückkamst?«
»Conn natürlich, der hat mich ja gleich derb gepackt.«
Fidelma runzelte die Stirn. »Mir geht es um die Toreinfahrt. Er hat dich hereinkommen sehen und dich dann später gegriffen?«
|379| Verwirrt schüttelte Liadin den Kopf. »Nein. Er hat mich in dem Augenblick gesehen, als er mich an der Tür zu unseren Gemächern
festhielt.«
»Demnach hat niemand dich wirklich gesehen, als du heimkamst? Es wäre für andere durchaus vorstellbar, dass du früher zurückgekehrt
bist. Du warst mit dem Pferd unterwegs. Was sagen die Stallburschen?«
Liadin sah gequält und geängstigt aus. »Ich begreife, worauf du hinaus willst. Im Stall war niemand. Ich habe mein Pferd allein
abgesattelt. Tut mir leid, aber es war niemand da, der gesehen haben könnte, wie ich zurückkam.«
»Aber deine Tante, die könnte bezeugen, wann du sie verlassen hast?«
»Meine Tante ist bereits hier und hat das bezeugt, doch Rathend sagt, das tut wenig zur Sache. Keiner stellt in Abrede, dass
ich meine Tante besucht habe und noch an dem Abend heimgekehrt bin. Es heißt jedoch, ich hätte schon früher zurückgekommen
sein können, wäre sofort zu Scoriath geeilt, hätte erst ihn und danach mein Kind ermordet, hätte mich dann im Dunkeln davongeschlichen
und schließlich eine spätere Heimkehr vorgetäuscht, in der Hoffnung, man würde während meiner Abwesenheit die Leichen gefunden
haben.«
Nachdenklich nagte Fidelma an ihrer Unterlippe. »Wie es aussieht, ist Branar die Hauptzeugin der Anklage. Sie liefert uns
ein Motiv, nämlich dass deine Beziehungen mit Scoriath nicht so herzlich waren, wie du sie darstellst. Wenn es keinen Streit
zwischen dir und Scoriath gegeben hat, dann ist Branar einem Irrtum erlegen oder sie lügt. Hat jemand Scoriath nach eurem
angeblichen Streit gesehen?«
»O ja«, rief Liadin sofort. »Unser Sohn Cunobel war den ganzen Nachmittag in Branars Obhut, denn ich war unterwegs, und Scoriath
hat Irnan zur Ratsversammlung des Clans begleitet. |380| Die Versammlung löste sich bei Sonnenuntergang auf. Doch wie sollen das Messer und die blutbesudelten Kleider in meine Kammer
gekommen sein?«
»Beweismaterial solcher Art lässt sich leicht fingieren, aber im vermeintlichen Ablauf des Geschehens, da sehe ich einen Widerspruch.
Schwer vorstellbar, dass du derartige Beweise in deiner Kammer liegenlässt, dich im Dunkel der Nacht wieder davonschleichst
und dir so ein Alibi zu verschaffen glaubst.«
Liadin versuchte die Logik der Beweisführung zu begreifen, nickte und lächelte flüchtig. »So habe ich das noch nicht gesehen.«
»Da hast du es«, sagte Fidelma aufmunternd. »Die gegen dich vorgebrachten Beweise sind nicht folgerichtig. Und alles sind
nur Indizien, keine handfesten Tatsachen. Hat jemand Gründe angeführt, weshalb du deinen Mann und dein Kind umbringen wolltest?«
»Richter Rathend ist der Auffassung, ich hätte es in einer unbeherrschten Aufwallung der Gefühle, in einem Eifersuchtsanfall
getan.«
Fidelma schaute ihre Freundin durchdringend an. »Hattest du Anlass, eifersüchtig zu sein?«, fragte sie leise.
Liadin schoss die Röte in die Wangen und trotzig hob sie das Kinn. »Auf Scoriath? Niemals!«
»Hatte er Feinde? Als Hauptmann der Leibwache und als Fremder in diesem Land war ihm manch einer gewiss nicht wohlgesinnt.
Weißt du, ob ihm jemand besonders grollte?«
Liadin zog die Brauen zusammen und dachte nach. »Ich wüsste niemand, den ich beim Namen nennen könnte. Mir ist nur aufgefallen,
dass Scoriath seit ein paar Wochen verstimmt war. Er wollte mir aber nicht sagen, was ihn quälte. Eine Sache, die er vorbrachte,
klang allerdings seltsam. Wir redeten darüber, dass er mit dem Gedanken spielte, sein Kommando über |381| Irnans Leibwache aufzugeben. Wie ich ja schon erwähnte, wollte er nicht länger
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