Der falsche Apostel
sie Scoriath ermordet hat, wie du vermeinst, wundert es dich dann nicht, dass sie auch ihr eigenes Kind … einen drei
Jahre alten Jungen umgebracht hat?«
Conn blieb stur. »Ich kann nur aussagen, was ich weiß.«
»Hat Scoriath dir gegenüber jemals eine Jüdin erwähnt?«
Auch jetzt war Conn von dem jähen Wechsel der Fragestellung wie vor den Kopf geschlagen. »Nie. Ich habe nie gehört, dass eine
Frau von dieser Religion hier in unserer Gegend lebt. Freilich spricht man darüber, dass viele jüdische Händler den Hafen
von Síl Maíluidir an unserer Südküste anlaufen. Irnan kann dir vielleicht eine Antwort geben, sie hat einige Jugendjahre dort
verbracht.«
Die Magd Branar war ein grobknochiges Mädchen mit frischer Gesichtsfarbe und großen, unschuldig dreinschauenden blauen Augen.
Jung, wie sie war, wusste sie nicht recht, wie sie sich verhalten sollte. Das Alter der Wahl hatte sie höchstens vor einem
oder zwei Jahren erreicht. Schwester Fidelma lächelte ihr aufmunternd zu und bot ihr eine Sitzgelegenheit an. Richter Rathend,
der dem Gespräch beiwohnte, war leicht verärgert, denn |387| Fidelma hatte Branars Mutter nicht gestattet, während der Vernehmung der Tochter dabei zu sein, und hatte sie in ein Nebengelass
verwiesen. Rathend war der Ansicht, Fidelma hätte mehr Mitgefühl für das junge Mädchen aufbringen müssen, das in Begleitung
ihrer Mutter gekommen war. Branar war aufgeregt und eingeschüchtert.
»Wie lange dienst du schon Liadin und Scoriath als Magd?«, begann Fidelma die Befragung.
»Noch kein ganzes Jahr, Schwester.« Unruhig wackelte das Mädchen mit dem Kopf. Ihr ängstlicher Blick wanderte von Fidelma
zu der steinernen Miene des Brehon und zurück zu Fidelma.
»Ein Jahr, sagst du. Arbeitest du gern für sie?«
»O ja, sie haben mich immer gut behandelt.«
»Und deine Arbeit macht dir Spaß?«
»O ja.«
»Hattest du manchmal Schwierigkeiten mit Liadin oder mit Scoriath? Haben sie niemals mit dir gezankt?«
»Nein. Ich war stets froh und zufrieden.«
»War Liadin eine liebevolle Ehefrau und Mutter?«
»O ja.«
Fidelma versuchte, anders an sie heranzukommen. »Ist dir etwas über eine Jüdin bekannt? Hat Scoriath mit einer solchen Frau
zu tun gehabt?«
Erstmals zeigte Rathend eine Regung. Überrascht zog er eine Braue hoch und musterte Fidelma, hielt sich aber zurück.
»Eine Jüdin? Nie.«
»Was geschah an dem Tag, als Scoriath getötet wurde?«
Die Magd schwieg beklommen, dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Du meinst den Streit, den ich gehört habe? Ich bin an dem Morgen
wie immer in das Haus gegangen, um bei Liadin und Scoriath sauberzumachen. Sie waren in der Schlafkammer, und |388| die Tür war geschlossen; sie schrien einander an und zankten sich fürchterlich.«
»Worum ging es? Was haben sie gesagt?«
»Das konnte ich nicht verstehen. Die Tür war ja zu.«
»Aber du hast ihre Stimmen ganz klar erkannt und gehört, dass sie sich heftig stritten, richtig?«
»Ja. Sie haben laut miteinander geredet und waren sehr wütend.«
Fidelma blickte dem Dienstmädchen ins treuherzige Gesicht. »Du hast Liadins Stimme nur durch die geschlossene Tür gehört,
bist dir aber ganz sicher, sie nicht mit einer anderen zu verwechseln?«
Branar nickte eifrig.
»Na schön. Was meinst du, hast du dich an meine Stimme so gewöhnt, dass du sie ohne weiteres erkennen würdest?«
Sie zögerte verunsichert, bestätigte es dann aber mit Kopfnicken.
»Und du würdest auch die Stimme deiner Mutter erkennen?«
Das Mädchen lachte auf, weil ihr die Frage derart dumm vorkam.
Schwester Fidelma stand auf. »Ich gehe jetzt in den Nebenraum, werde die Tür zumachen und dort drinnen ganz laut reden. Wollen
mal sehen, ob du verstehst, was ich sage.«
Rathend holte hörbar Luft. Nach seinem Empfinden ging Fidelma reichlich theatralisch vor.
Die Anwältin begab sich in den Nebenraum und schloss die Tür hinter sich. Branars Mutter stand sofort ehrerbietig auf und
erkundigte sich ängstlich: »Ist die Befragung schon vorbei, Schwester?«
Freundlich erklärte ihr Fidelma, was sie vorhatte. »Ich möchte, dass du, so laut du nur kannst, ein paar Sätze sprichst. Sag
einfach, was dir gerade einfällt. Ich will nur etwas ausprobieren.«
|389| Die Frau starrte Fidelma an, als wäre die nicht richtig im Kopf, doch als die
dálaigh
ihr auffordernd zunickte, begann sie mit kräftiger Stimme zu reden. Es war eine Mischung aus sinnvollen Sätzen und
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