Der falsche Apostel
ertragen müssen, zugibst, ist ein Schritt in die richtige Richtung zu einer möglichen Aussöhnung,
Nechtan. Persönliche Feindschaft sollte einem Waffenstillstand zwischen uns nicht im Wege stehen. Ich dringe aber darauf,
dass solch ein Waffenstillstand von einem unparteiischen Brehon überwacht wird. Darüber hinaus verlange ich im Namen meiner
Leute Schadenersatz für das verlorene Vieh, für die Toten im Kampfgetümmel …«
»Das soll alles geschehen«, schnitt ihm Nechtan das Wort ab, beachtete ihn nicht weiter und lenkte seine Aufmerksamkeit auf
den jungen Mann, der sich Wein nachgeschenkt hatte und inzwischen wieder auf seinem Platz war.
»Und nun zu dir, Cuill. Auch dir habe ich schweres Leid zugefügt, denn dein ganzer Clan weiß, dass ich deine Frau verführt
und sie hierhergebracht habe, um gemeinsam mit mir unter einem Dach zu leben, und das vor aller Augen und zur Schande deiner
Familie.«
Der hübsche junge Mann saß steif auf der anderen Seite von Daolgar. Er war bemüht, Fassung zu bewahren, doch sein Gesicht
war rot, teils aus Beschämung, teils weil er dem Wein reichlich zusprach. Er genoss den Ruf eines vielversprechenden Talents
in der angewandten Kunst und war bei Stammesfürsten, Bischöfen und Äbten gleichermaßen gefragt, um Kunstwerke von unvergänglicher
Schönheit zu schaffen.
»Sie hat sich verführen lassen«, erwiderte er mürrisch. »Ver werflich an der Sache war, dass man die Sache vor mir geheim gehalten hat. Als sie ging und auch die Kinder im Stich ließ, um |444| bei dir zu wohnen, war für mich der Schlussstrich gezogen. Schlimm, wenn einer so vernarrt ist.«
»Vernarrtheit nennst du das, nicht Liebe?«, herrschte ihn Nechtan an. »Weshalb gestehst du dir nicht ein, dass sie mich liebt?«
»Sie hat sich von einer dummen Leidenschaft hinreißen lassen und jedes vernünftige Urteilsvermögen verloren. Nein, Liebe kann
ich das nicht nennen. Für mich ist und bleibt es Vernarrtheit.«
»Du liebst sie immer noch, obwohl sie längst mit mir lebt.« Nechtan grinste spöttisch. »Keine Sorge. Heute Nacht noch, und
du hast sie wieder. Ich glaube, mein … Vernarrtsein … in sie hat ein Ende.«
Dass Cuill seinen Zorn nur mühsam beherrschte, schien ihm Spaß zu machen. Krampfhaft hielt sich der junge Mann an seinem Stuhl
fest, die Knöchel an den Händen waren weiß. Doch schon war Nechtan der Sache überdrüssig und nahm sich den letzten seiner
Gäste vor, den schlanken, dunkelhaarigen Krieger zu seiner Rechten.
»Zu guter Letzt du, Marbán.«
Marbán war der
tánaiste
, sein rechtmäßiger Nachfolger als Stammesfürst.
»Du hast mir kein Unrecht zugefügt«, stieß der verdrossen, aber entschieden hervor.
Bekümmert schaute ihn Nechtan an. »O doch. Du bist mein
tánaiste
, mein rechtmäßiger Thronnachfolger. Wenn ich nicht mehr bin, übernimmst du die Herrschaft an meiner statt.«
»Das ist noch lange hin«, entgegnete Marbán. »Und Unrecht ist nicht geschehen.«
»Ich weiß es besser. Vor zehn Jahren, als wir beide vor die Ratsversammlung traten, damit man entscheide, wer von uns Stammesfürst
und wer
tánaiste
sein sollte, begünstigten die |445| Mitglieder dich. Die Wahl wäre eindeutig zu deinen Gunsten ausgefallen. Ich kam noch vor dem Zusammentreten des Rates dahinter
und habe nicht unerhebliche Bestechungsgelder gezahlt, damit man mich wählte. So wurde das Amt mir zugesprochen, und fälschlicherweise
rücktest du auf den zweiten Platz. Zehn Jahre lang hast du an meiner Seite gedient, obwohl in Wahrheit du hättest herrschen
müssen.«
Marbán wurde blass, ließ aber keinerlei Überraschung erkennen. Offensichtlich hatte er seit langem mit dem Wissen um Nechtans
Betrug gelebt. Nur schwer konnte er seinen Zorn verbergen, hatte sich aber in Gewalt.
Fidelma fand, das Maß war voll. Sie fühlte sich verpflichtet einzuschreiten und unterbrach das betretene Schweigen mit einem
Räuspern. Alle Blicke wandten sich ihr zu, und sie begann in ruhigem, aber bestimmtem Ton: »Du hast uns zu dir gebeten, Nechtan,
Fürst der Múscraige, damit wir dir die Kränkungen, die du einem jeden von uns zugefügt hast, verzeihen. Allerdings kannst
du nur bei einigen der von dir begangenen verwerflichen Taten auf das bauen, was uns Christus gelehrt hat, und mit Vergebung
rechnen. Als
dálaigh,
als Anwältin bei den Gerichten unseres Landes, muss ich dich darauf aufmerksam machen, dass nicht all deine Missetaten, die
du hier eingestanden
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