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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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hast, so einfach verjährt sind. Du hast zugegeben, dass deine Wahl zum Anführer der Múscraige auf unrechtem
     Weg erfolgt ist. Du hast uns weiterhin eröffnet, dass du dich in dieser Rolle zu Handlungen hast hinreißen lassen, die keineswegs
     dem Gedeihen deines Volkes dienlich waren, wie zum Beispiel Raub von Viehherden, die auf den Weiden der Sliabh Luachra grasten.
     Das allein ist eine Straftat, deretwegen du vor den Stammesrat und die Räte meines Bruders Colgú, König von Cashel, gehörst,
     die über dein weiteres Verbleiben als Stammesfürst befinden müssten …«
    |446| Nechtan hob die Hand und gebot ihrem Redefluss Einhalt.
    »Rechtsprechung hat dir immer am Herzen gelegen, Fidelma. Auch tust du gut daran, mich auf die rechtliche Seite meines Handelns
     zu verweisen. Ich beuge mich deinem Wissen. Aber bevor du die ganzen Verästelungen bis ins Letzte darlegst, möchte ich noch
     einmal betonen, dass es mir hauptsächlich darum ging, meine Missetaten zu bekennen. Komme, was da wolle, ich hatte das Bedürfnis,
     die Dinge einzugestehen. Und so erhebe ich meinen Becher und trinke auf euer aller Wohl, auf jeden Einzelnen von euch, denn
     ich stehe bei euch allen in der Schuld. Danach mögen Recht und Gesetz ihren Lauf nehmen; dem, was dann befunden wird, werde
     ich mich widerspruchslos fügen.« Er ergriff seinen Becher und nickte allen zu. »Auf euer Wohl. Einen Schluck in aller Reue.
     Viel Spaß, wenn ihr über mich richtet.«
    Niemand sagte etwas. Schwester Fidelma zog nur zynisch eine Augenbraue in die Höhe. Es war ein armseliges Schauspiel, dem
     sie beiwohnten.
    Der Stammesfürst schlürfte und schluckte laut. Im nächsten Moment fiel ihm der Becher aus der Hand, die blassen Augen wurden
     groß und starr, mit offenem Mund rang er keuchend nach Luft, und mit einer Hand griff er sich an die Kehle. Ein heftiges Zucken
     ging durch den Körper, er kippte nach hinten über, warf dabei den Stuhl um und stürzte zu Boden.
    Das Festmahl endete in Totenstille.
    Gerróc, der Leibarzt des Stammesfürsten, zeigte als Erster Geistesgegenwart. Er kniete bei Nechtan nieder, doch um dessen
     Tod festzustellen, bedurfte es nicht eines Arztes. Die verzerrten Gesichtszüge, der leblose Blick, die verrenkten Glieder
     sprachen für sich.
    Daolgar, der neben Fidelma saß, seufzte erleichtert auf. »Gott übt eben doch Gerechtigkeit«, bemerkte er ungerührt. »Wenn |447| es jemanden gab, bei dessen Übergang in die Anderswelt man nachhelfen musste, dann war es dieser Mann.« Er warf Fidelma einen
     raschen Blick zu und zuckte die Achseln, als er ihr tadelndes Gesicht sah. »Du musst schon entschuldigen, wenn ich aus meinem
     Herzen keine Mördergrube mache, Schwester. Mit der Lehre, Vergebung zu üben, habe ich meine Schwierigkeiten. Ich finde, es
     hängt von der Art der Sünden und von dem Verursacher ab.«
    Er hatte mit seiner Bemerkung Fidelma kurz abgelenkt, doch jetzt sah sie, dass der junge Dathó erregt mit seiner Mutter Ess
     flüsterte, die den Kopf schüttelte. Ihre Hand umschloss irgendeinen kleinen Gegenstand in der Tasche.
    Der Arzt hatte sich wieder erhoben und sah argwöhnisch zu Daolgar hinüber. »Was wolltest du mit dem
Nachhelfen
in die Anderswelt sagen, Daolgar?«, forschte er und war bemüht, seine innere Erregung zu unterdrücken.
    Daolgar winkte gleichgültig ab. »Es war nur so eine Redewendung, Doktor. Gott hat Nechtan auf seine Weise gestraft. Herzversagen
     oder so was. Das reichte zum Nachhelfen. Ob Nechtan ein solches Los verdiente oder nicht, bleibt dahingestellt – aber keinen
     an diesem Tisch wird es empören. Er hat uns allen Leid zugefügt.«
    Gerróc wiegte bedächtig den Kopf. »Nicht Gott hat es gefallen, ihn zu strafen«, erwiderte er langsam. »Niemand von euch sollte
     den Wein anrühren.«
    Aller Blicke waren verständnislos auf den Arzt gerichtet.
    »Der Becher war vergiftet«, antwortete er auf ihre unausgesprochene Frage. »Nechtan wurde ermordet.«
    Fidelma stand auf und ging zu dem Toten. Die geöffneten Lippen hatten eine blaue Färbung angenommen, dahinter schimmerten
     Gaumen und Zähne weiß. Ein Blick auf die schmerzverzerrten Züge des einst pausbäckigen Gesichts genügte ihr, |448| um zu erkennen, dass der kurze Todeskampf auf Fremdeinwirkung zurückzuführen war. Sie nahm den auf der Erde liegenden Becher
     zur Hand. Auf seinem Grund war noch eine Spur Wein. Sie stippte mit dem Finger hinein und schnüffelte argwöhnisch an ihm.
     Sie empfand einen

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