Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
geräuschlos trat der Diener Swerim über die Schwelle, verbeugte sich tief und erhob sich wieder mit den Worten: „Guten Morgen, junger Herr. Habt Ihr wohl geruht?“
Alep hörte diese Frage zum ersten Mal von einem Fremden und war sich gar nicht sicher, ob sie so aufrichtig gemeint war, wie sie geklungen hatte. Er zuckte die Achseln und betrachtete Swerim prüfend. Swerim war ein dürrer alter Mann, der jeden Augenblick in der Mitte durchzubrechen drohte. Alles an seinem Gesicht hatte die Neigung, sich in Richtung Hinterkopf zu verflüchtigen: Haar, Stirn, Wangen und Kinn. Allein die knollige Nase wölbte sich majestätisch aus dem Gesicht nach vorne und nach oben. Swerim sah aus, als trüge er den Kopf viel zu hoch, um das Gleichgewicht auf Dauer halten zu können. Er war bekleidet mit einer blauen Weste und einer weiten Hose mit strahlenden Messingknöpfen.
„Ich hoffe, Ihr seid zufrieden, Herr“, erklärte Swerim.
„War meine Prüfung denn so offensichtlich?“
„Lasst es mich so sagen, Herr: Wenn ein Schmied seine Arbeit beginnt, schürt er als erstes das Feuer.“
Ha, frohlockte Wigget. Davon habe ich gesprochen, Magier. Er ist ein Quell scharfsinniger Lebensweisheiten. Wir werden uns hier prächtig amüsieren.
Sei still, vorlauter Drache, und halte dich aus meinen Gedanken heraus.
Swerim erkannte wohl, dass da irgend etwas zwischen seinem neuen Herrn und dem Drachen vor sich ging. Das zu erahnen, hatte er in den Jahren als Diener im Palast des Königs gelernt, aber er konnte nicht erkennen, was da war und das verwirrte ihn. So beschloss er, es als eine stillschweigende Übereinkunft zwischen beiden zu betrachten. „Für die Zeit Eures Aufenthaltes auf dem Königsberg bin ich Euch als persönlicher Diener zugeteilt. Ich bin verantwortlich für Euer Wohlergehen und für diesen Raum. Womit kann ich Euch dienen, Herr?“
Alep überlegte und sagte dann: „Zuerst einmal nennst du mich nicht Herr, sondern bei meinem Namen: Alep. Mit diesem Zimmer wirst du dich erst beschäftigen, nachdem ich es verlassen habe. Und was mich und meine Kleidung angeht, wirst du die Hände tief in deinen Taschen behalten, bis ich dir etwas anderes sage.“
„Aber Herr“, unterbrach Swerim unglücklich, „Ihr, ... Eure Kleidung ... Wer zieht Euch an?“
„Es heißt Alep! Und ich ziehe mich selbst an.“
„Ja, Herr Alep!“, erwiderte Swerim mit einem Nicken. „Das Essen ist gerichtet und wird in diesem Augenblick im Speisezimmer aufgetragen.“
Alep schlüpfte in eine Weste und knöpfte sie bedächtig zu. „Wir wollen eine Vereinbarung treffen. Du wirst nicht versuchen, mir meine Hosen zuzuknöpfen, und ich werde dich anständig behandeln.“
Swerim nickte. „Wenn Ihr es wünscht, Herr Alep!“
„Ja!“ Er verließ das Zimmer und ließ einen ziemlich erschütterten Diener zurück. Er sah Wigget an, der sich inzwischen auf seiner Schulter niedergelassen hatte. „Ich habe einen Diener. Ich frage mich, was als nächstes kommt.“
„Frühstück“, erinnerte Wigget ihn mit lautem Magenknurren und lächelte erwartungsvoll.
Alep stieg die Treppe hinab, eilte durch den langgestreckten Gang, der am Innenhof vorbeiführte, und erreichte schließlich das Speisezimmer, aus dem leise Stimmen drangen.
Prak saß bei Kwin am Tisch und schaufelte sich eine riesige Menge gebratenes Fleisch in den Mund. Am Nachbartisch saßen Pail Milaz und ein hochgewachsener, dunkelhäutiger Mann, der sein langes Haar zu dünnen Zöpfen geflochten hatte. Das ist dann wohl der vierte im Bunde, dachte Alep: Ritter Taukon Dex aus Heetland. Alep betrachtete den Ritter unauffällig. Tiefe Linien hatten sich in das dunkelbraune Gesicht eingegraben. Es war ein hartes, kantiges, und doch einnehmendes Gesicht. Taukon bemerkte seinen neugierigen Blick und sah auf. Unergründliche Augen musterten ihn und Alep nickte ihm grüßend zu. Der Ritter nahm den Gruß mit unbeweglicher Miene entgegen und setzte sein Frühstück schweigend fort.
Kwin sah blass und müde aus. Alep trat zu seinem Freund an den Tisch und setzte sich. „Wie ist es dir ergangen, Kwin?“, fragte er.
Aus der Küche tauchte Swerim mit einem Silbertablett wieder auf. Alep sah ihm staunend entgegen,
Wie ist der so schnell hierhergekommen? fragte Alep verblüfft.
Im Laufschritt!
Swerim stellte das Tablett vor ihm ab. Mit einer Verbeugung machte er kehrt und verschwand ebenso unauffällig, wie er zuvor erschienen war. Es gab Tee und Milch, dazu schwarzes Brot, graues Brot,
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