Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
belauscht worden war. Rendon, Yanea und Tulpe sowie die Beschützer N’Gucha und Adengard planten den Tod ihres Bruders, sofern König Antever eines plötzlichen und unnatürlichen Todes sterben sollte und Prinz Geron gleichzeitig die Königswürde für sich als der erstgeborene Sohn einfordern würde. Aber damit nicht genug. Sollten es die Umstände erfordern, so hatte Rendon auch einen Plan ausgearbeitet, sich des Meistermagiers Pretorius zu entledigen. Prinz Rendon war sehr überzeugend gewesen, und die Argumente, die er vorgebracht hatte, sprachen alle für ihn und sein Vorhaben. Aber etwas daran gefiel Alep trotzdem nicht. Da war zuerst einmal die Möglichkeit, dass Rendon selbst der Königsmörder sein könnte. Dann würde sein eigener Kopf gemeinsam mit dem Kwins rollen, gleich nachdem Antever von Rendons Hand gefallen war.
Wie aber passte der Umsturzversuch durch Pretorius in dieses Bild, von dem Rendon noch überzeugter war als von der Erfüllung der Prophezeiung? Welche Vorteile hätte er, nachdem er Pretorius überführt, angeklagt und gerichtet haben würde? Vorausgesetzt natürlich, Rendons Geschichte über den Meistermagier entsprach der Wahrheit.
Alep ließ seinen Blick unauffällig zu Yanea schweifen. Sie war ein Quell ruhigen Selbstvertrauens und machte keinen Hehl aus ihrer Überzeugung, dass Pretorius die Macht im Hause Antevers an sich reißen wollte. Das tat sie nicht so sehr mit großen Worten, wie ihr Bruder Rendon, sondern mit kurzen, knappen Sätzen, die auf den Punkt brachten, was Rendon weitschweifig erklärte. Ihr vertraute Alep, Rendon nicht.
Vieles von dem, was Alep in diesen Morgenstunden erfahren hatte, formte sich langsam zu einem Bild, aber es fehlten immer noch einige Verbindungsglieder.
Der Saal hatte sich inzwischen merklich gefüllt. Neben einem Magier in weißem Umhang, der wohl der Gildemeister sein musste, hatten sich einige Offiziere der königlichen Armee eingefunden, unter ihnen war auch der Hauptmann der Garde, Ratibor, der sie in der Nacht zuvor gefangengenommen hatte. Oder war das vor zwei Nächten geschehen?
Der weißgekleidete Magier unterhielt sich leise aber angeregt mit den Offizieren der königlichen Armee. Ratibor stand etwas abseits von dieser Gruppe, zu der er scheinbar keinen Zugang hatte und beobachtete angestrengt die Auserwählten. Dabei galt sein besonderes Augenmerk dem Troll.
Alep mochte Hauptmann Ratibor nicht. Seine Ablehnung stand ihm so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass Ratibor ihn hasserfüllt anblickte, nachdem er ihn erkannt hatte. Alep zuckte die Schultern.
Das Flüstern der verschiedenen Gruppen erhob sich zu einem allgegenwärtigen Wispern. Alep schloss für einen kurzen Moment die Augen und ließ dieses eigenartige Geräusch auf sich einwirken. Nun konnte er die Spannung im Raum fast greifen. Er fühlte Aufregung um sich herum, Zorn und Ablehnung.
Plötzlich wurde eine schmale Tür gleich hinter dem Königsthron aufgestoßen, durch die Alep bislang nur einige der Bediensteten hatte hereinkommen und wieder verschwinden sehen und drei Männer betraten den Raum, von denen Alep inzwischen zwei kennengelernt hatte.
Vorneweg betrat ein junger Mann den Saal. Hinter ihm kamen der Meistermagier Pretorius und der Waffenmeister Sata Resch. Der junge Mann würdigte niemanden der Anwesenden eines Blickes, stolzierte schweigend und eilig zum Kopf des langgezogenen Tisches und ließ sich dann schwer in den Königsthron fallen. Ein ungläubiges Raunen ging durch den Saal. Pretorius und Sata Resch stellten sich zu beiden Seiten hinter den Thron. Von dort hatten sie alle Anwesenden im Blick. Alep wartete gespannt. Ein dicklich wirkender Mann, den Alep für einen der betuchten Händler der Stadt hielt, erhob sich. „Was hat das zu bedeuten, Prinz Geron? Wo ist Euer Vater, König Antever?“, fragte er aufgebracht.
„Mein Vater, lieber Miwal, ist heute Morgen von uns gegangen! Wir bedauern seinen Tod.“
Plötzlich war der Saal erfüllt vom Geschrei der Anwesenden. Der aufgestaute, unterdrückte Ärger, den Alep zuvor gespürt hatte, brach sich Bahn. Miwals Gesicht war zornesrot, und Hass funkelte in seinen Augen. Rendon war aufgesprungen und hatte seine Hände um die Kehle seines älteren Bruders gelegt und drückte zu. Geron wirkte hilflos. Sata Resch trat vor. Mit einem gleichgültigen Schlag gegen die Schläfe des jungen Prinzen befreite er Geron von den würgenden Händen seines Bruders. Rendon brach augenblicklich zusammen. Da stürmte
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