Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
hatte sich augenblicklich für eine Zusammenarbeit entschieden, mochte sie ihm auch noch so verhasst sein, in der Hoffnung, einen Ausweg zu finden. Doch diese Hoffnung hatte sich nicht erfüllt.
Nachdem er Kwin von der Möglichkeit berichtet hatte, den Bannzauber zu brechen, hatte er sich gegen Pretorius gestellt in dem sicheren Wissen, seinen baldigen Tod zu erwarten. Damit hatte die Zeit des Zauderns und der Ungewissheit endlich ein Ende gefunden. Rodgatt fühlte sich befreit und seine Überlegungen hatten einzig die Erfüllung der Prophezeiung zum Inhalt. Doch es musste noch mehr getan werden, als den Tischler auf seine Aufgabe vorzubereiten, wollte er die Pläne des Meistermagiers vereiteln.
Kwin war eindeutig der falsche Auserwählte, das war Rodgatts fester Glaube. Ein Magier oder Krieger, besser noch beides in einer Person, wäre vonnöten gewesen, das Schicksal, das Burnyk erwartete, zu wenden. Seit Rodgatt von Aleps Existenz wusste, wusste er auch, das dieser an Kwin Stelle stehen sollte. Aber es gab keinen Weg, die Prophezeiung zu umgehen. Und das war auch nicht nötig. Rodgatt musste nur dafür sorgen, dass Kwin auf seine Aufgabe vorbereitet wurde und zugleich eine Möglichkeit finden, den jungen Elders kennenzulernen. Es genügte nicht, den Ränkeschmied Pretorius auszuschalten. Der Kampf um den Erhalt der Magie und ihrer Befreiung musste in zwei Welten ausgetragen werden. In Burnyk stand Pretorius gegen die Erfüllung der Weissagung und hier, in Rodgatts Land, war es der Wächtergolem.
Ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht und dann begann der Magier zu lachen, leise erst, doch sichtlich vergnügt, dann immer lauter. Schließlich drehte er sich zu Kwin und betrachtete ihn frohgemut. „Auf, mein junger Tischler!“, sagte er und Erleichterung schwang in seiner Stimme mit. „Die Unterweisungen haben soeben begonnen. Schon bald wirst du dich der Prüfung stellen.“
Kwin sollte nie erfahren, was Rodgatt zum Lachen gebracht hatte, doch von diesem Tage an war der Alte verändert. War der Magier vorher stets nachdenklich und eher schweigsam gewesen, so strahlte er jetzt eine Zielstrebigkeit aus, die keinen Widerspruch zu dulden schien. Kwin war es recht, glaubte er doch, dass er seinem Ziel und damit zugleich seiner Rückkehr in seine eigene Welt täglich näherkam.
Innerhalb kürzester Zeit führte Rodgatt seinen Schützling zielstrebig zur Meisterschaft der Tischlerei. Kwin fühlte sich zurückversetzt in jene ereignisreichen Tage, als er bei Borken in die Lehre gegangen war. Doch da, wo Borken kurz und einsilbig erklärt hatte, nahm Rodgatt sich die Zeit und berichtete ausführlich, weshalb dieses oder jenes auf die eine oder andere Weise getan werden musste. Kwin erkannte aber schnell, das weder der eine noch der andere Meister seinen Widerspruch duldete.
Kwins Wissen war beträchtlich und Rodgatt sah, dass er dem jungen Tischler nichts mehr über die Holzverarbeitung beibringen konnte. Von diesem Moment an fanden die einfachen Unterweisungen ein Ende. Nun nahm Rodgatt sich die Zeit, und führte lange Gespräche mit Kwin. Für den jungen Tischler waren das erholsame Zeiten, in denen er sich besser kennenlernte, als je zuvor. Rodgatt aber spürte dem Wesen Kwins nach, deckte seine Befähigung mit unnachgiebiger Sorgfalt auf und lotete seine Schwächen bis ins letzte aus. Aber erst als Rodgatt von Kwins Aufrichtigkeit vollends überzeugt war, erachtete er ihn für wert und würdig, in das letzte Geheimnis des wahren Handwerks eingewiesen zu werden: das Geschenk der Bäume.
Der Magier führte Kwin zu einem Wald, der in der wirklichen Welt nahe der Stadt Lindenbrunn lag. „Das ist der Nachtwald“, erklärte Rodgatt mit einer weiten Handbewegung. „Hier wirst du dich deiner Prüfung stellen. Doch zuvor sollst du die letzte Lektion der Tischlerei lernen: Das Geschenk der Bäume. Wenn die Bäume dich für wert befinden, darfst du dich fortan Tischlermeister nennen. Zugleich soll dir diese Zeit dienen, dich auf die Prüfung vorzubereiten.“
„Ich dachte, der Meistertitel wird von Meister zu Schüler weiterge...“
Rodgatt bedachte Kwins Äußerung mit einer abfälligen Handbewegung. „Ich kann mit vorstellen, dass Borken auf diese Art seinen Titel erlangte, aber du bist nicht er und ich noch immer ein Meister des wahren Handwerks. Du bist Tischler und zugleich der Auserwählte. Und wie ich vor vielen Jahren wirst auch du dich dem Urteil der Bäume unterwerfen.“
„Und die Prüfung
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