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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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Wind? Kein Lüftchen regte sich. Alles lag still. Argwöhnisch sah er sich um.
    Bald darauf erreichte er einen kleinen Fluss, an dessen Ufer eine Trauerweide mit weit ausladenden Ästen stand und er beschloss, eine kurze Rast einzulegen. Er suchte sich einen schattigen Platz unter den tief herabhängenden Ästen und lehnte sich an den knorrigen Baumstamm.
    „Du sprichst also unsere Sprache, Mensch, hm?“
    „Not und Verderben!“, fluchte Kwin und sprang auf. Nach einem kurzen Augenblick wurde ihm klar, dass er die Stimme des Baumes gehört hatte. Doch die Intensität und Stärke, mit der die Trauerweide ihre Bilder in seinen Geist gesandt hatte, verblüffte ihn.
    „Habe ich dich etwa erschreckt?“, fragte die Weide kichernd.
    „Nein. Es geht mir gut“, erwiderte Kwin. Er trat einen Schritt zurück und betrachtete vorsichtig die tief herabhängenden Äste und Zweige.
    „Das beruhigt mich ungemein, Mensch“, erklärte der Baum. “Du sollst nämlich hier auf ihn warten. Und ich soll dir bei all der Warterei die Zeit vertreiben. Als ob ich sonst auch nichts zu tun hätte. All das ständige Sonnenstrahlenfangen mit den Blättern und das kraftraubende Aufsagen der Feuchtigkeit mit meinen Wurzeln und dann erst das Hinaufpumpen des gefilterten Wassers bis in die Krone und in die allerletzte Blattspitze; ich sage dir, das kann ganz schön ermüden. Aber ich habe festgestellt, dass es nicht gut ist, dem Meister zu widersprechen und deshalb sage ich dir: Warte hier auf ihn. Er wird kommen. Er kommt immer, wenn er es sagt.“
    „Wer kommt?“, fragte Kwin, der den Worten, die der Baum ihm sandte, kaum einen Sinn entnehmen konnte, so schnell folgten sie aufeinander.
    „Der Meister. Rodgatt! Oder besser das, was von ihm übrig ist, seit er dieses Land betreten hat. Schließlich musste er seinen Körper zurücklassen. Das ist nun schon viele Jahre her und ereignete sich weit vor meiner Zeit. Wahrlich viele Jahre. Ja, Rodgatt ist unser Bruder, und wir verehren ihn sehr. Und du sollst hier auf ihn warten, hat er gesagt, oder unter einem anderen Baum, aber da du mich ausgewählt hast, wirst du schon mit mir vorlieb nehmen müssen. Das ist dir doch recht? Nicht, dass du wieder gehst, bevor er herkommt.“
    Rodgatt, dachte Kwin verblüfft. Das kann unmöglich der Rodgatt sein, der das Zeitalter des Gleichklangs begründet hatte. Der Magier war seit nahezu zweitausend Jahren tot.
    Die Weide plapperte munter weiter, aber Kwin hörte nicht mehr hin. Was hatte der Baum zuvor gesagt? Dieser Rodgatt hatte seinen Körper aufgeben müssen, bevor er ins Talikon gekommen war? Unentschlossen wandte er seinen Kopf und erkundete die Umgebung. Da erreichte ihn der Ruf einer fremden Stimme. „Heda, Tischler?“
    Kwin erhob sich schnell und ließ seinen Blick wachsam über das endlose Gras am Fluss schweifen. Er erkannte einen alten, gebeugten Mann, der mit schnellen Schritten auf ihn zueilte. Bald darauf hatte der Alte ihn erreicht.
    “Wer seid Ihr?“, fragte Kwin misstrauisch, noch bevor der Alte etwas sagen konnte.
    “Ein Freund, mein Junge. Der Beste, den du dir im Moment wünschen kannst. Aber du willst meinen Namen wissen. Ich bin Rodgatt von Lohe.“ Der alte Mann bemerkte Kwins argwöhnischen Blick und versicherte: „Ja, eben der Rodgatt von Lohe. Du hast sicher Verständnis, wenn ich darauf verzichte, meine ehemaligen Titel aufzuzählen. Sie haben hier keinerlei Bedeutung. Willkommen im Drachenland.“
    Kwin sah seinen Gegenüber zweifelnd an. “Wie ist das möglich?“, fragte er. „Rodgatt starb vor ewigen Zeiten.“
    Der alte Mann kratzte sich den Kopf und schaute Kwin unschuldig an. “Mit Hilfe der Magie natürlich. Schließlich war ich zu meiner Zeit der mächtigste Magier weit und breit.“ Der Alte hatte ein offenes, freundliches Gesicht und seine Augen sprühten vor Überzeugung und Willensstärke. Er machte nicht den Eindruck, als hätte er es auf sein Leben abgesehen. Es fiel Kwin leicht, Vertrauen zu ihm zu fassen und da er kaum eine andere Möglichkeit hatte, wollte er sich ungefährdet durch dieses Land bewegen, beschloss er, die Worte des Fremden, zumindest für den Anfang, als wahr anzuerkennen.
    Rodgatt schien die Veränderung in Kwins Körperhaltung nicht entgangen zu sein und so sagte er: „Ich hoffe, ich habe dich nicht zu lange warten lassen, aber da gibt es seit einiger Zeit ein Geistwesen, dem ich lieber aus dem Weg gehe. Wir sollten verschwinden, bevor der Golem unsere Spuren entdeckt. Bist du

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