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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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der Winde, der hier seinen Platz gefunden hatte, war an seinem, an Wiggets Schicksal beteiligt gewesen, ja, er war allein dafür verantwortlich. Aber wie viel schwerer wog die Schuld, die Wigget auf sich geladen hatte, als er seine eigene Rasse zum Untergang verdammt hatte. Er dachte nicht gern daran, vermied es, sich diesem inneren Konflikt zu stellen, was ihm auch stets gelungen war. Aber jetzt, auf dem Weg zu Nidar, drängten sich längst vergangene Erinnerungen wieder auf. Was wollte Nidar von ihm? Eine uralte Schuld einfordern? Wigget knurrte leise. Er hatte seine Sühne angetreten, als er in die Forderungen des Waldgeistes eingewilligt hatte. Was auch immer Nidar einzuklagen hoffte, Wigget musste es ihm verweigern, bis er das Alep gegebene Versprechen eingelöst hatte.
    Er erreichte die Eberesche und tauchte zwischen den dichten Blättern ein, fand sogleich einen kräftigen Ast und ließ sich bedächtig darauf nieder. Er wartete. Lange Zeit geschah gar nichts.
    Wigget erinnerte sich, dass es so schon immer gewesen war, wenn er Nidar gegenübergetreten war. Keiner von beiden wollte als erster sprechen und Wigget hatte jedes Mal zuerst nachgegeben. Doch alles war jetzt verändert. Nidar war nicht mehr länger der König der Drachen und Wigget der letzte seiner Rasse, mehr oder weniger. Also wartete er und musste all seine Willenskraft aufbringen. Schließlich sprach der Baum:
    „Wikt! Ich heiße dich willkommen.“
    Wigget atmete erleichtert auf. „Auch ich grüße dich, Nidar“, sagte er.
    „Das ist gut und ziemt sich für einen Drachen.“ Nidar machte eine Pause, bevor er weitersprach: „Du bist der Ratgeber des jungen Magiers?“
    „Ich bin sicher, dass du die Antwort schon lange kennst. Welchen Sinn hat deine Frage?“
    „Keinen anderen, als die, zu zeigen, dass ich über alle Einzelheiten aufgeklärt bin. Wir hier im Talikon nehmen großen Anteil an den Geschehnissen deiner Welt. Ich frage dich: Was weißt du über die unsrige?“
    „Nicht sehr viel. Wie du dich erinnerst, war ich jung, als ich von dir verraten wurde, zu jung, um in die letzten Geheimnisse meiner Rasse eingeweiht zu werden. Der Magier, der mich an meinen Schützling Alep band, hat die fehlenden Lücken gefüllt. Doch alles Wissen hat mich nicht auf die Wirklichkeit vorbereiten können.“ Wigget streckte seinen Hals und sah weit über die Grasebene hinweg. „Das Talikon erscheint mir wie ein riesiges Grab. Alles wirkt tot. Kein wirkliches Leben gibt es hier, abgesehen von euch Bäumen und den niederen Pflanzenarten. Und doch ist es schöner als alles, was ich je gesehen habe. Die letzte Ruhestätte der magischen Wesen. Ja!“ Wigget bohrte seine Krallen fester in die Astrinde. „Außer für diejenigen, die dazu verflucht sind, auf ewig zu leben.“
    „Du hast dafür gesorgt, dass in diesem Land innerhalb weniger Jahrhunderte viele neue Bäume gewachsen sind. Dein Zorn auf mich ist nutzlos, Wikt, da du mein Herz nicht erreichen kannst. Ich habe getan, was ich tun musste. Doch alles kam anders und sieh das Ergebnis: du lebst und bist der letzte unserer Rasse...“
    „Eine billige Nachbildung aus Holz war ich, die wiederbelebt diese Form annehmen musste, die ich jetzt innehabe. Nichts ist mir geblieben! Dank dir.“
    „Verschone mich mit deiner Rührseligkeit“, unterbrach Nidar seinen Enkel und zum ersten Mal schwang da der Hass, den Nidar für Wikt und Wigget zugleich empfand, in seiner Stimme mit. „Du lebst! Das ist mehr, als du verdienst.“
    Wiggets Kopf zuckte herum. Wut funkelte in seinen grünen Augen. „Deine Zeit ist vorbei, Nidar! Dein Ruf ist ebenso vergangen wie deine einstmals starken Klauen und kräftigen Zähne. Sprich noch ein weiteres Wort dieser Art, und mein Feuer wird dich versengen!“
    „Das wagst du nicht!“
    Wigget lachte. „Ach? Nachdem ich meine ganze Rasse ausgelöscht habe, soll ich davor zurückschrecken, dich zu verbrennen?“
    „Wenn du mich niederbrennst, wird deine Schuld unendlich sein.“
    „Das ist sie schon einmal gewesen. Ich komme damit zurecht. Du bist es gewesen, auf dessen Geheiß ich den Menschen allein gegenübertreten musste...“
    „Es war ein Zweikampf zwischen dir und T’Brien. Du hast verloren.“
    „Und was, wenn ich ihn besiegt hätte?“, fragte Wigget. „Nach T’Brien wäre der nächste Streiter des Königs gekommen und nach diesem ein weiterer. Eine endlose Flut von Rächern. Du hast mich verstoßen, Nidar, dein eigen Fleisch und Blut, um die langersehnte

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