Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
auf dem Schlagstock seines Schülers.
„Mir ist bekannt“, begann Rodgatt, „dass du noch eine von Wikts Drachenschuppen besitzt. Richtig?“
Alep nickte bestätigend und wartete.
„Solltest du sie jemals verlieren, oder für andere Zwecke einsetzen, dann erinnere dich an diese Klinge“, Rodgatt wies auf Aleps Schlagstock. „Sie ist ein fast ebenso mächtiger Fokus wie die Drachenschuppe. Vergiss das nicht.“
Rodgatt führte Alep auch über den Drachensee und hinein in den Drachenberg auf der Insel, um ihm die gebundenen Erwählten zu zeigen, die Pretorius als Behältnisse der gesammelten Magie dienten. Alep schüttelte bei ihrem Anblick nur den Kopf angesichts von soviel Grausamkeit.
Alep hatte sich ins Gras gesetzt und erfreute sich an der Ruhe, die das Land ausstrahlte. Er genoss es, einfach dazusitzen und zu schauen. Nach einer Weile sah er zu Rodgatt hinüber. Der alte Mann bemerkte seinen Blick und schaute ihn nachdenklich an
„Was bedrückt Euch?“, fragte Alep.
„Die Zeit?“, antwortete Rodgatt, „das Leben? Die Magie? Es ist von jedem ein bisschen. Deine Rückkehr nach Burnyk ist alsbald erforderlich. Nidar hat Nachricht aus dem Nachtwald erhalten. Kwin und seine Gefährten sind dort angekommen und haben sich in Lindenbrunn niedergelassen. Die Bäume haben auch berichtet, dass dein Freund sich allenthalben nach deinem Verbleib bei ihnen erkundigt hat, nachdem er herausgefunden hat, dass die letzten magischen Wälder miteinander in Verbindung stehen. Was er nicht weiß, ist, dass die Verbindung über die Wälder hier im Talikon zustande kommt.“ Der alte Mann machte eine Pause, die sich immer länger hinzog. Alep wusste, dass der Magier lediglich Mut sammelte, um ihm eine unangenehme Nachricht zu überbringen. „So haben wir ebenfalls erfahren“, erklärte Rodgatt leise, „dass Pretorius ein Soldatenheer ins Flache Land ausgesandt hat, weil er euch beide dort vermutet.“ Rodgatt sah Alep mitfühlend an. „Es tut mir leid, aber deine Heimat ist ein weiteres Mal Ziel eines verheerenden Angriffs geworden.“
Alep hatte aufmerksam zugehört. Ruhig nickte er und fragte dann: „Gibt es Nachricht über Verluste?“
„Nein. Noch nicht. Doch sobald Nidar etwas Neues erfährt, will er dich augenblicklich in Kenntnis setzen.“
Alep lehnte sich zurück und versuchte, ruhig zu bleiben. Sein erster Gedanke war, aufzuspringen, das Talikon zu verlassen und nach Bitterquell zu eilen. Doch bis er dort angekommen wäre, würden mehrere lange Wochen vergangen sein. Er würde in jedem Fall zu spät im Flachen Land eintreffen, um seine Heimat zu verteidigen. Zum ersten Mal in seinem Leben hörte er nicht auf sein rechtschaffenes Herz. Die Entscheidung um den Fortbestand beider Welten musste in Hornburg und hier im Talikon ausgetragen werden.
„Wer ist dieser Nidar?“, fragte Alep.
„Warum gehen wir nicht einfach zu ihm? Er wird sich freuen, dich kennenzulernen.“
„Oder auch nicht“, murmelte Wigget leise, und flog in entgegengesetzter Richtung davon.
Nidar begrüßte seine Besucher freundlich. Alep fand es widernatürlich, einen Baum sprechen zu hören. Doch schlimmer noch war, dass er keinen Punkt an der Rinde fand, der ihm als Spiegel seines Gegenübers dienen konnte, wie es das Gesicht eines Menschen oder Tieres, dessen Augen und Mimik bot. Aleps Blick eilte bei Nidars freundlichen Worten den Stamm hinauf, über Zweige, Äste und Blätter und kehrte unverrichteter Dinge wieder zu seinem Ausgangspunkt zurück. Er schloss kurzerhand seine Augen und folgte dem Gespräch zwischen dem ehemaligen Magier und dem zum Baum geworden Drachen.
Nach einer kleinen Weile hörte Alep Wiggets gleichmäßige Flügelschläge. Er öffnete die Augen und erkannte den Drachen, der kurz darauf auf seiner rechten Schulter landete.
„Ich bringe schlechte Nachricht“, begann Wigget augenblicklich. „Ich wollte hinüber nach Hornburg, in unsere Welt, aber das Tor ist verschwunden.“
„Was heißt verschwunden?“, fragten Rodgatt und Alep wie aus einem Munde.
„Weg! Unauffindbar! Verschwunden eben“, sagte Wigget.
„Das ist schlecht. Sehr schlecht“, bemerkte Rodgatt. Alep sah ihm an, dass er nach einem Ausweg suchte, aber scheinbar keinen fand.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Alep.
„Ich weiß es nicht, ich muss mit Nidar darüber sprechen, warte.“
Rodgatt schloss die Augen und Alep bemerkte, dass sich die Lippen des Alten stumm bewegten. Rodgatt stand mit Nidar in geistiger
Weitere Kostenlose Bücher