Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
zusammen. Wigget landete auf Aleps Schulter, sah die entsetzten Blicke der Königsgardisten und sagte: Ihr habt wirklich ein weiches Herz, Magier.
Alep verständigte die anderen. N’Gucha und der beste Bogenschütze der Veteranen eilten herbei, umrundeten die Ecke, an der Alep noch immer schweigend stand, und liefen los. Sie passierten das Tor, hoben ihre Bögen, verharrten kurz und schossen den beiden letzten Wachtposten, die vor dem Portal Wache standen, Pfeile in Kehle und Brust. Nur einer seufzte noch leise, ehe er tot zusammenbrach. Die Angreifer schlossen zu Alep auf und gemeinsam eilten sie hinter N’Gucha und Kreuzer her. Am Portal angekommen sah Alep in die Gesichter seiner Gefährten, die seinen Blick entschlossen erwiderten. Aber einer fehlte: Kwin. Alep schaute zurück und entdeckte seinen Freund, der diesseits vor dem Eisentor stand. Er sah, wie Kwin in einen seiner vielen Beutel griff, die an seinem Gürtel baumelten, und etwas zu Boden warf. Er war nicht sicher, aber er hätte schwören können, dass er Kwin ein paar Takte eines Liedes singen hörte. Dann geschah etwas ganz und gar Erstaunliches. Zwischen den massiven Eisenstäben rankte sich plötzlich ein dünner, unscheinbarer Zweig empor. Diesem folgten weitere, so schnell, dass Alep ihr Erscheinen nicht erkennen konnte. Die einzelnen Zweige trieben, kaum dass sie emporgewachsen waren, neue Zweige und diese wieder neue aus. Nach wenigen Augenblicken war der Durchgang mit einer massiven und kaum zu durchdringenden Dornenhecke zugewachsen.
Kwin drehte sich um und lief los. Er erreichte Alep und ein fröhliches Lächeln lag auf seinem Gesicht. „Stechginster“, flüsterte er, „mit wirklich widerlichen Dornen.“
Inzwischen hatte N’Gucha den linken Flügel des Portals geöffnet und mit Hilfe von Prak, Taukon und den Veteranen die Königsgardisten hereingetragen. Alep wollte ihr folgen, aber Kwin hielt ihn zurück und gebot ihm, still zu warten. In Windeseile ließ Kwin vor jedem der hohen, ebenerdigen Palastfenster weitere Stechginsterbüsche wachsen. Nur die beiden Fenster neben dem Portal ließ er frei. Dann kehrte er zu Alep zurück und die beiden betraten als letzte den Palast. N’Gucha schloss den Torflügel und bezog mit ihren Bogenschützen links und rechts vom Eingang und hinter den beiden Fenstern Stellung.
Die Gefährten trennten sich still und schnell. Prak führte seine Soldaten die nahegelegene Palasttreppe hinauf.
Alep drehte sich noch einmal zu N’Gucha um, sah ihr ein letztes Mal in die Augen, grinste, winkte und lief dann, gemeinsam mit Taukon Ratibor, Kwin und Twist den Gang entlang zur Treppe, die in die unteren Ebenen des Palastes führte. Wigget flog voraus. Erst jetzt fragte Alep sich erschrocken, was passieren mochte, wenn sie Pretorius dort nicht antreffen würden. Der erste unverzeihliche Fehler, den ihre Planung aufwies. Der Meistermagier konnte in diesem Moment irgendwo im Palast oder der Stadt sein. Doch jetzt war es zu spät. Alep hoffte inständig, dass keine der beiden anderen Gruppen zuerst auf Pretorius traf.
Tallis Lomen
Tallis Lomen fand nur langsam in die Wirklichkeit zurück. Überall in dem weiten Kreis, der von den Leibern der Echsen gebildet wurde, lagen die rauchenden Reste der magischen Amulette, die Argana einst für ihn hergestellt hatte. Der Schlangenmagier kauerte etwa ein Dutzend Schritte entfernt von ihm am Boden und schluchzte wie ein Mensch.
Tallis Lomen senkte den Kopf und gedachte der weisen Voraussicht seiner Großmutter Argana mit tiefempfundener Dankbarkeit. Er lebte und damit würde auch Lindenbrunn verschont bleiben. Schwere Schritte näherten sich ihm. Eine Echsenklaue fasste seinen müden Arm und half ihm, aufzustehen.
„Komm, Mensch. Siznik dir jetzt zeigen, wie andere Menschen sterben.“
„Aber ...“, begann Tallis Lomen. Eine schwielige Echsenklaue traf krachend sein Gesicht. Sein Kopf wurde nach hinten geschleudert. Stöhnend sank er auf ein Knie. Zwei Chetekken eilten herbei und fesselten seine Arme und legten ihm eine Schlinge um den Hals. Siznik beugte sich über seinen Magier, zischte beruhigende Laute und stieß ihm ein gekrümmtes Messer in die Kehle. Der Anführer der Nat Chatkas richtete sich auf und schrie.
Der Schrei wurde von den Echsenkrieger ringsum aufgenommen. Siznik kam zu Tallis Lomen, nahm das Seil, das um den Hals des Böttchers geschlungen war und sagte: „Ich heute trinken Menschenblut. Du zusehen und als letzter sterben. Gut?“
Tallis
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