Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
selbst am besten weißt.“
„Nein! Ich weiß es nicht. Nicht genau zumindest. Sonst wäre ich auch nicht hier.“
„Gib mir deine Hand“, forderte Valda.
Alep streckte seinen Arm aus. Die Alte umschloss seine Finger mit festem Griff und bog sie herab. Lange betrachtete sie Aleps offene Handfläche, fuhr mit dem Zeigefinger die Linien entlang. Vor und zurück und wieder vor und murmelte leise dabei. Alep hatte den Eindruck, dass es sich dabei um einen Sprechgesang handelte, war sich aber nicht sicher. Gleichwohl war hier Magie im Spiel. Das spürte er deutlich. Dann hielt die Alte inne und ließ seine Hand los. Sie starrte wohl minutenlang ins Leere. Alep hätte gern gewusst, was sie da sah, traute sich aber nicht, danach zu fragen. Mit einem Ruck hob Valda den Kopf und betrachtete Alep prüfend.
„Steh auf und komm zu mir “, forderte sie eindringlich. Alep erhob sich und kniete sich vor sie hin. Lange sah sie ihm in die Augen und erforschte dann seine Gesichtszüge. Dann sprach sie: „Ich verstehe, weshalb du gerade diese Frage gestellt hast. Aber deine Sorgen sind unbegründet. Der Wind des Lebens weht und erzählt von vergangenen und zukünftigen Ereignissen. Nichts geht verloren. Alles hat seinen festen Platz. Ist auch jetzt noch vieles ungewiss, wendet sich am Ende alles zum Guten. Du bist auserwählt, Großes zu vollbringen. Und doch bist du nicht der Einzige und das Ende deines Weges wird nicht dasjenige sein, das du dir insgeheim wünschst. Mehr kann ich dir nicht sagen.“
„Aber ...“
„Es ist besser, wenn du jetzt wieder gehst“, erwiderte Valda entschieden.
Alep erhob sich zögernd und verließ das Zelt. Nachdenklich stolperte er über den Dorfplatz.
So geheimnisvoll die Worte der Seherin auch geklungen hatten, so hatte sie es doch vermocht, ihm auch seine Furcht zu nehmen. Seltsam war auch, was sie über das Ende seines Weges gesagt hatte. Er hatte darüber noch gar nicht nachgedacht. Das Ende seines Weges? Ja, was erwartete ihn dort? Was erwartete er dort? Leid und Tod oder Freude und Zufriedenheit? Eine Aufgabe hatte er zu erfüllen, die ihn von allen Lebenden entfernen musste, doch er war nicht allein. Aber welche Aufgabe war es, die er zu vollbringen hatte? Wer oder was hatte ihn ausgewählt? Fragen über Fragen und noch immer gab es keine Antworten. Leise Flüche murmelnd setzte er seinen Weg über den Platz fort.
„Seid gewarnt, Magier!“, ermahnte Wigget ernst und ließ sich auf seiner Schulter nieder. „Schreckliche Folgen können Eure unkontrollierten Flüche zeitigen. Ich weiß, wovon ich rede. Also rate ich Euch: Bezähmt eure Wut.“
„Ach ja? “, fragte Alep verärgert. „Wirken sie auch gegen Drachen?“
„Das macht keinerlei ...“ Wigget verstummte entsetzt und schlug heftig mit den Flügeln. „Ihr werdet doch Eure Macht nicht an mir versuchen wollen. Bedenkt, ich bin ebenso wichtig wie Ihr es seid.“
„Erinnere mich nicht daran.“
Alep stapfte über den Marktplatz und schlug den Weg zu Borkens Werkstatt ein. Kwin war sicher nicht da, überlegte er, jetzt, da Lisett endlich eingetroffen war. Aber er konnte ihm eine Nachricht hinterlassen. Alep klopfte und wartete. Frau Borken öffnete ihm die Tür.
„Grüß dich, Alep. Du willst sicher zu Kwin. Er ist bei den Artisten. Aber ich rechne jeden Moment mit seiner Rückkehr. Möchtest du hereinkommen und warten?“
„Nein, danke Frau Borken. Ich warte im Birkenhof auf ihn.“
„Ich sag es ihm, gleich wenn er kommt.“
Alep bedankte sich und lief, die Hände tief in den Taschen vergraben, hinüber zu Schokels Schenke.
Das Wirtshaus 'Birkenhof', dass Schokel von seinem Vater geerbt hatte, war das älteste Gebäude in Bitterquell. Als einziges besaß es ein aus hellem Kalkstein gemauertes Fundament, auf das insgesamt zwei Stockwerke aus geschwärztem Eichenholz aufgesetzt waren.
Alep öffnete die Tür und trat ein. In der Schenke roch es nach saurem Wein und schalem Bier. Links von der Eingangstür stand die lange, geschwungene Theke. Dahinter putzte Schokel hingebungsvoll einen Weinkelch. Es waren um diese Stunde nur wenig Gäste anwesend. Alep erkannte Handemann, der zum Essen hereingekommen war und winkte ihm zu. Am nächsten Tisch saßen der Dorfsattler Polz und Jockele, der Besitzer der Bittermühle. An einem einzelnen Tisch daneben saß Whirl, der Fischer, vor einem Krug Bier. Aus der Küche drangen Geräusche von scheppernden Töpfen und klirrendem Essgeschirr. Alep war hungrig. Er grüßte kurz
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